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Völkische Vetternwirtschaft Wer steckt hinter der TikTok-Strategie der AfD?

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Maximilian Krah, hier nicht auf TikTok, sondern im EU-Parlament (Quelle: picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Jean-Francois Badias)

Die AFD konnte in den vergangenen Monaten erstaunliche Erfolge auf TikTok verbuchen. Insbesondere Maximilian Krah, der auf Listenplatz eins bei der Europawahl antritt und aktuell in einen Spionageskandal verwickelt ist, ging mit mehreren Videos viral. Datingtipps, plakative Ankündigungen und KI-Bilder verschafften dem rechtsextremen Politiker hunderttausende Views auf der Videoapp. Krah erreicht so ein großes und – für die Europawahl besonders relevant – junges Publikum.

Auf TikTok ist die AfD die mit Abstand erfolgreichste deutsche Partei. Fast 62 Millionen mal wurden Videos aus ihrem Dunstkreis im letzten Jahr aufgerufen. Auch die Top10 der Videoaufrufe deutscher Politiker*innen zeigt ein ähnliches Bild. Sechs von zehn gehören zu der rechtsextremen Partei. Nummer eins ist Martin Sichert, der für die AfD im Bundestag sitzt, schon direkt hinter Parteichefin Alice Weidel steht der EU-Abgeordnete Krah.

Hinter dem Erfolg von Maximilian Krahs Videos steckt in erster Linie Erik Ahrens, einer der Gäste des Treffens in Potsdam, das von Correctiv aufgedeckt wurde. Ahrens inszeniert sich selber gerne als Medienexperte und TikTok-Magier. In einem Online-Workshop auf X, vormals Twitter, pries er seine Tipps Ende April als die „Ahrens-Methode” an. Ahrens ist Mitbegründer des Onlinemagazins konflikt, welches seinerzeit als Scharnier zwischen der Identitären Bewegung und der Jungen Alternative fungiert hatte. Mittlerweile gibt es das Magazin in der Form nicht mehr, aber 2021 entstand aus seinem Umfeld das Projekt Gegenuni, als Gründer trat auch hier Ahrens auf. Die Gegenuni sollte ein alternatives Bildungsprojekt werden, bei dem neurechte Akademiker*innen und Influencer im Videoformat dem zahlenden Publikum Theoriewissen aus dem identitären und rechtsextremen Spektrum vermitteln.

Zu den „Dozenten” gehören einige bekanntere Namen aus dem Dunstkreis der sogenannten neuen Rechten und dem rechtsextremen „Institut für Staatspolitik” (IfS) aus Schnellroda, etwa Martin Semlitsch – der unter dem Künstlernamen Lichtmesz veröffentlicht –, die Rechtsaußen-YouTuber Christian „Outdoor” Illner und „Schattenmacher”.

Bei der Gegenuni geht es aber nicht nur um das Vermitteln von rechter Ideologie, sondern das Projekt soll rechten Influencern zu einem Einkommen verhelfen. Dazu gehört auch der von Ahrens gegründete Service Blitzwissen. Ganz ähnlich wie bei Angeboten wie Blinkist, werden hier Bücher in 15-minütigen Audiohäppchen zusammengefasst, nur ist die Buchauswahl  eine andere. Von Thilo Sarrazin, über den Rassentheoretiker Edward Dutton bis hin zum angeblichen Putin-Flüsterer Alexander Dugin und dazwischen immer wieder Schriften aus dem Antaios Verlag, der zum IfS aus Schnellroda gehört, findet man hier eine Vielzahl an rechter und rechtsextremer Theorie.

Bei der Sommerakademie 2023 des Instituts für Staatspolitik von Götz Kubitschek prahlte Ahrens mit seinem Erfolg auf TikTok und zeigte einige der Videos, die er für Krah produziert hatte. Zahlen von Statista belegen, dass Jugendliche täglich durchschnittlich 90 Minuten damit verbringen, „ein Fenster, in deren Gehirn wo man da rein senden kann,“ so Ahrens. TikTok sei eine Chance verschiedene Zielgruppen gezielt anzusprechen, da der Algorithmus das Targeting übernehme und die Plattform biete die Möglichkeit an den Medien vorbei, mit Zuschauer*innen zu kommunizieren.

Sein Online-Workshop von Ende April, der als Livestream auf X stattfand, sollte junge Rechte dazu motivieren, selber Influencer auf TikTok zu werden.Ahrens erklärte ausgiebig die Strategien hinter seinem TikTok-Erfolg. Videos sollen mit einer packenden Botschaft beginnen, um die Aufmerksamkeit aller Zuschauer*innen zu greifen. Hier spielt er auf das sogenannte Ragebaiting an, denn der Algorithmus kann erstmal nicht unterscheiden, ob ein Video angeschaut wird, weil die Botschaft schockiert, oder ob es sich um Zustimmung handelt. Wichtig für die Reichweite ist zunächst nur, dass es überhaupt Zuschauer*innen gibt. Das Brechen mit Erwartungen, Authentizität und Emotionalisierung seien entscheidend für den Erfolg auf TikTok. „Reizthemen” – gemeint sind offensiv queerfeindliche und ausländerfeindliche Aussagen, sowie das Zeigen von verfassungsfeindlichen Symbolen – sollten aber vermieden werden, da sie schnell zu einer Sperrung führten. Das Ziel sei es generell, möglichst viele Videos zu veröffentlichen. Am Ende lüftet Erik Ahrens auch sein groß angekündigtes „Ahrens Geheimnis”: Wer gut auf Twitter sei, würde auch TikTok beherrschen. Er habe eben den „sechsten Sinn” für den Erfolg auf Social Media. Tatsächlich weiß er einfach, wie man bewusste Provokation erfolgreich einsetzt. Dabei handelt es sich wahrlich nicht um eine verborgene Weisheit, sondern Ahrens vermarktet vielmehr grundlegende TikTok-Kenntnisse als erfolgversprechendes Geheimwissen.

Seit dem Vortrag bei der Sommerakademie hat TikTok bereits Konsequenzen gezogen, der Account von Maximilian Krah wurde gedrosselt, seine Videos werden für eine gewisse Zeit nicht mehr an alle User ausgespielt. Statt hundertausende Menschen erreicht er jetzt oft nur noch unter zehntausend User*innen. Aber auch dafür hat Ahrens eine Lösung, und die nennt sich „TikTok Guerilla”, die er in einer Artikelserie auf dem Antaios-eigenen Blog vorstellt. Im Kern handelt es sich dabei um einen Telegram-Kanal, mit dem versucht wird, nach „Andrew Tate”-Prinzip die Reichweiten-Einschränkungen zu umgehen. Der Telegram-Kanal stellt Rohmaterial zur Verfügung und die über 1000 Abonnent*innen sind aufgefordert, daraus eigene Videos zusammenzuschneiden, um sie auf den eigenen TikTok-Kanälen zu veröffentlichen. Neben dem Rohmaterial bietet Ahrens auch Tipps zum Videoschnitt, Untertiteln und Musikauswahl an. Getestet wurde die Strategie ursprünglich mit Videos von Eric Engelhardt, dem Landesvorsitzenden der Jungen Alternative in Thüringen, den Ahrens offenbar gerne zum freundlichen Gesicht der Jungen Alternative stilisieren würde. Aktuell sollen die rechten Guerilleros aber Krah, der sich gerade wegen zu guten Verbindungen nach Russland und China in der Kritik sieht, wieder zu Reichweite verhelfen, insbesondere Clips eines sechsstündigen Interviews bei „Jung & Naiv” sollen zu viralen TikTok-Hits werden. Die Strategie ist dabei recht einfach: Möglichst viele Accounts sollen verschiedene Clips verbreiten, die auf demselben Material basieren. So lassen sich zum einen automatisierte Moderationstools umgehen und Krah soll trotz Reichweiteneinschränkung wieder allgegenwärtig auf TikTok werden.

Auch Arne Friedrich Mörig, der Sohn des Organisators des Potsdamer Treffens Gernot Mörig,  will sich zum Social-Media-Experten der AFD aufschwingen. Der Mörig-Sohn arbeitete bis 2021 für den Bundesverband der Deutschen Entsorgungs-, Wasser- u. Rohstoffwirtschaft e.V. (BDE) und war laut seinem öffentlichen Xing-Profil von Oktober 2019 bis Juli 2020  als persönlicher Referent des Geschäftsführenden PräsidentenPeter Kurth (bis Oktober 2023 CDU) angestellt. Dieser musste wiederum im Januar 2024 seine Tätigkeit für den BDE vorzeitig beenden, nachdem der Spiegel über seine Vernetzungen mit der rechten Szene, namentlich Sellner, Kubitschek und Krah, berichtete. Laut der Süddeutschen Zeitung wurde Arne Friedrich Möring seit Ende 2022 direkt aus den Mitteln des Bundesvorstandes der AFD bezahlt und war scheinbar für die sozialen Medien zuständig.

Möring stellte laut Correctiv Recherche während des Potsdamer Treffens im November seine Pläne vor, eine rechte Influencer-Agentur aufzubauen. Dabei soll Roland Hartwig, bis zu seiner anschließenden Entlassung die rechte Hand von Parteichefin Alice Weidel, angeboten haben, dass die AFD das Projekt potenziell finanziell unterstützen könne.

Einen tieferen Einblick in die geplante Agentur liefert eine Recherche von Netzpolitik.org, welche die bisher unveröffentlichte Website der Agentur analysiert. Demnach ist die Kernidee, reichweitenstarke rechte Influencer zu gewinnen, die auf YouTube demonetarisiert sind, also aufgrund ihrer Inhalte keine Werbegelder ausgezahlt bekommen. Denen soll die Agentur Werbedeals vermitteln, wodurch sich die Influencer ganz auf die Content-Produktion konzentrieren könnten. Den potenziell werbenden Unternehmen wird eine „wachsende, loyale Zielgruppe” versprochen. Außerdem wird auf der Website auch angepriesen, dass YouTuber effektiv im Wahlkampf seine, da sie Personen ansprechen würden, die klassische Wahlwerbung selten erreiche.

Nur wenige in der „neuen” Rechten ist wirklich neu. „Ausländer raus“ heißt heute „Remigration” und „Deutschland den Deutschen“ wird zu „Ethnopluralismus”. Alles nichts Neues, also auch nicht die TikTok-Stategie. Was hier als bahnbrechende Erfolgsrezepte angepriesen werden, sind lediglich Methoden, die so schon länger auf TikTok und anderen Social-Media-Plattformen von Influencern angewandt werden. Neu ist lediglich, dass diese jetzt auch in der rechten Szene angekommen, es ist ein weiterer Schritt in Richtung Professionalisierung der digitalen Auftritte rechtsaußen.

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