Weiter zum Inhalt

22.03.2013 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Treffen von Schwarz-Gelb: Koalition will Neonazi-Aussteigerprogramm retten +++ NSU-Prozess: Justiz machtlos gegen Neonazi-Zuschauer +++ Nürnberg: Gedenkort für NSU-Opfer eingeweiht.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Treffen von Schwarz-Gelb: Koalition will Neonazi-Aussteigerprogramm retten

Schwarz-Gelb will ein Zeichen im Kampf gegen Rechtsextremismus setzen und das Neonazi-Aussteigerprogramm Exit vor der Schließung bewahren. Die Fortsetzung wird der Koalitionsgipfel im Kanzleramt beschließen. Bislang wurde das Projekt aus Mitteln des Europäischen Sozialfonds (ESF) und des Bundesarbeitsministeriums finanziert. Ihm drohte Ende April das Aus. Die Koalition reagiert: Bei ihrer Zusammenkunft im Kanzleramt wollen die Partei- und Fraktionsspitzen eine Fortsetzung des Programms beschließen Damit wolle die Koalition ein Zeichen setzen, dass es ihr mit dem politischen Kampf gegen den Rechtsextremismus ernst sei, hieß es. Die Mittel für „Exit“ sollen ein Zeichen sein, dass die Regierung die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus würdigt. Nun wird, so heißt es inoffiziell aus der Koalition, wahrscheinlich das Bundesfamilienministerium oder das Bundesinnenministerium Gelder bereitstellen (Spiegel Online).

NSU-Prozess in München: Justiz machtlos gegen Neonazi-Zuschauer

Beim bevorstehenden NSU-Terrorprozess in München kann die bayerische Justiz das befürchtete Auftauchen von Neonazi-Sympathisanten im Publikum nicht verhindern. Dem steht das Gerichtsverfassungsgesetz entgegen, das den Zugang der Öffentlichkeit zu Gerichtsverfahren sicherstellt. „Solange jemand nicht stört oder sich konkrete Anhaltspunkte für eine zu erwartende Störung ergeben, kann man ihn nicht ausschließen“, sagte Thomas Dickert vom bayerischen Justizministerium am Donnerstag im Rechtsausschuss des Landtags. „Das äußere Erscheinungsbild allein reicht nicht aus, um jemand am Zutritt zu hindern.“ (Süddeutsche Zeitung) Der Prozess gegen die mutmaßliche Terroristin Beate Zschäpe und vier Mitangeklagte beginnt am 17. April. Dem „Nationalsozialistischen Untergrund“ werden zehn Morde an Einwanderern und einer Polizistin zur Last gelegt (Die Welt).

Nürnberg: Gedenkort für NSU-Opfer eingeweiht

Nürnberg erinnert mit einem Mahnmal an die Opfer der NSU-Terrorzelle. Bei einer Gedenkfeier übergab Oberbürgermeister Ulrich Maly am Donnerstag die Erinnerungsstätte im Süden der Altstadt. Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann gab bei dem Festakt offen Fehler bei der Aufklärung der Morde zu (nordbayern.de). An der Einweihung des Mahnmals an der Straße der Menschenrechte nahmen gut 400 Bürger teil. Unter ihnen waren auch Angehörige der drei Nürnberger Opfer Enver Simsek, Abdurrahim Özüdogru und Ismail Yasar, die in den Jahren 2000, 2001 und 2005 ermordet worden waren. (Die Welt)

Anwalt von NSU-Opfer: „Ohne Verfassungsschutz hätte es keine Nazi-Morde gegeben“

Jahrhundertprozess oder juristisches Alltagsgeschäft? Der NSU-Prozess gegen Beate Zschäpe, der am 17. April in München beginnt, sorgt schon im Vorfeld für viel Diskussion – und Irritation. Verschiedene Entscheidungen der Verantwortlichen, etwa die Wahl eines viel zu kleinen Gerichtssaals, treffen gerade bei den Vertretern der Nebenklage – Angehörige der Opfer des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ – auf Unverständnis. Auch Anwalt Yavuz Narin, der am Dienstag auf Einladung der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN-BdA) im vollbesetzten L.E.D.E.R.E.R. zu Gast war, um die Fragen der Journalisten Waltraud Bierwirth und Stefan Aigner zu beantworten, sieht in der Prozesstaktik der Ermittlungsbehörden eine bedenkliche Kontinuität zum bisherigen Verlauf der NSU-Aufarbeitung. Narin vertritt die Angehörigen von Theodorus Boulgarides, der am 15. Juni 2005 in seinem Geschäft im Münchner Westend von Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt erschossen wurde (Regensburg Digital).

Brandenburg rechnet mit mehr Problemen durch Neonazis

Bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus in Brandenburg zieht Innenminister Dietmar Woidke (SPD) eine gemischte Bilanz. Trotz „unzweifelhafter Erfolge“ bleibe der Rechtsextremismus weiter die größte politische Herausforderung. Die CDU forderte die Landesregierung auf, das gefährdete Exit-Programm für Aussteiger aus der Neonazi-Szene finanziell zu unterstützen. Laut Landesregierung gibt es in Brandenburg trotz zahlreicher Gegenmaßnahmen immer mehr Neonazis. Die rechtsextreme Szene der Neonationalsozialisten habe ihr Personenpotenzial in den letzten Jahren in Brandenburg kontinuierlich vergrößern können. Das geht aus der Antwort der Landesregierung auf eine Große Anfrage der Regierungskoalitionen von SPD und Linken hervor, die Anlass der Debatte im Landtag war (rbb-online).

Kampf gegen NPD: FDP will auch keinen Verbotsantrag des Bundestags

Wie das Kabinett wird auch der Bundestag keinen eigenen NPD-Verbotsantrag stellen. Diese Prognose gab FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ab. Er glaube nicht, dass es zu einer Beschlussfassung des Parlaments komme, sagte Brüderle. Die Ablehnung der FDP-Fraktion im Parlament sei eindeutig: „Wir werden die Haltung unserer Minister als Fraktion unterstützen.“ Auch bei Union und Grünen im Bundestag gebe es Vorbehalte. Die NPD sei ohnehin politisch und finanziell ausgezehrt, sagte Brüderle. Für die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts sei es auch völlig unerheblich, wie groß die Zahl der Kläger sei. Die Bundesregierung hatte zuvor beschlossen, keinen eigenen Verbotsantrag zu stellen – insbesondere auf Drängen der fünf FDP-Minister. Die Bundesländer hatten Mitte Dezember ein Verbotsverfahren beschlossen, das die Regierung nun auf andere Weise unterstützen möchte (Spiegel Online).

Pro-NRW-Kundgebung in Krefeld: Rechtspopulisten kommen zu spät zu eigener Demo

Rund 100 Menschen haben am Donnerstagmittag gegen eine Kundgebung der rechtspopulistischen Partei „Pro NRW“ vor einem Asylbewerberheim in Krefeld demonstriert. Dabei war bei eisigen Temperaturen Geduld gefragt, denn die Rechten kamen zu spät zu ihrer eigenen Demo. Bereits gegen 13 Uhr hatten sich die Gegendemonstranten versammelt und sich symbolisch schützend vor die Flüchtlingsunterkünfte am Siemesdyk gestellt. Unter ihnen waren Mitglieder der Parteien SPD, Grüne und Piraten sowie Angehörige des Katholikenrates. Für 14 Uhr war die Kundgebung von „Pro NRW“ angekündigt. Ein großes Polizeiaufgebot stand bereit, um die beiden Lager voneinander zu trennen und mögliche Zwischenfälle zu verhindern. Gegen 14.30 Uhr kamen die etwa 15 Rechtspopulisten schließlich vorgefahren und begannen unter Protestrufen und Pfiffen der Gegendemonstranten mit ihrer Kundgebung (rp-online).

Berlin: Sozialer Samstag der NPD

Als „Kümmerer“-Partei will sich die NPD am Wochenende präsentieren. Nicht mit martialisch wirkenden Demonstrationen oder Reden soll sie am Samstag auffallen, sondern mit guten Taten. Zum „Sozialen Tag“ werden Mitglieder ausschwärmen und „aktiv und kreativ für die Gemeinschaft“ sein, kündigt die Partei an. „Uns liegen bereits unzählige Pläne vor. Darunter Reinigungsaktionen öffentlicher Plätze und Ehrenmale, Essensausgaben an Bedürftige, Besuch von Kinder- und Altenheimen, die Ausrichtung von Kinderfesten und vieles mehr“, nennt NPD-Pressesprecher Frank Franz einige der vorgesehenen Aktivitäten. Die NPD als eine Partei, die Sympathien einheimst – und nicht als Partei, die potenzielle Anhänger oder Wähler durch ihr Auftreten verschreckt: So soll sich die NPD an diesem Tag darstellen (Blick nach Rechts).

Rassismus in der bürgerlichen Mitte: Workshop im Hedwigs-Haus über die Diskriminierung von Muslimen

Zusammen mit dem Antirassismus-Centrum Duisburg hat das St. Hedwigs-Haus einen Workshop zum Thema antimuslimischer Rassismus veranstaltet. 18 Teilnehmer, Fachkräfte aus der Migrations- und Integrationsarbeit hörten Vorträge und diskutierten Tendenzen des antimuslimischen Rassismus, der, so beobachtet es Hartmut Reiners vom Antirassismus-Centrum, seinen Weg in die bürgerliche Mitte gefunden hat. Die Diskriminierung reicht weit. Margarita Bergen, Organisatorin des Treffens in Oerlinghausen, berichtet von einem Polizisten aus Mönchengladbach, dem auch in seinem Arbeitsumfeld Rassismus aufgefallen war. Wird beispielsweise innerhalb einer Familie eine Frau getötet, spreche man bei Deutschen von einem Familiendrama, bei Türken oder türkischstämmigen Deutschen von Ehrenmord (Lippische Landeszeitung).

Rassendiskriminierung: Prominente im Kampf gegen Rassismus

Zahlreiche Prominente wie etwa Prinzen-Sänger Sebastian Krumbiegel unterstützen mit der Plakataktion „Gesicht zeigen! Für ein weltoffenes Deutschland“ den Kampf gegen Rassismus und Antisemitismus in Deutschland. Auch Berlins Bürgermeister Klaus Wowereit ist auf einem der neun Plakate zu sehen, die Vorurteile gegenüber Herkunft, Hautfarbe und Homosexualität thematisieren. Anlass ist der Internationale Tag gegen Rassismus an diesem Donnerstag. Uwe-Karsten Heye, Vorstandsvorsitzender der Aktion, betonte am Mittwoch bei der Vorstellung der Kampagne, dass Rechtsextremismus in Deutschland weiterhin bekämpft werden müsse. Die Plakate werden in den nächsten Wochen in ganz Berlin zu sehen sein (Berliner Zeitung).

Nazi-Musik: Land lässt 15 Bands beobachten

Neonazis setzen in Mecklenburg-Vorpommern wieder verstärkt Musik für ihre Zwecke ein. Laut aktuellem Verfassungsschutzbericht (Stand: 2011) werden 15 der insgesamt 300 Bands in Mecklenburg-Vorpommern als rechtsextremistisch eingestuft – fünf mehr als noch 2010. In Relation zur Einwohnerzahl hat nur noch Brandenburg ähnlich viele solcher Bands, nämlich 22 bei knapp 2,5 Millionen Einwohnern. „Musik erzeugt ein Gemeinschaftsgefühl und transportiert ideologisches Gedankengut“, sagt Marc Brandstetter (34). Der Politikwissenschaftler ist Redakteur bei „Endstation Rechts“. Die Initiative klärt über Rechtsextremismus in MV auf. (Ostsee Zeitung)

Eckernförde: Schüler bekennen Farbe gegen Rassismus

Ein Laken mit roten, gelben grünen und blauen Händen, bunt durcheinander gewürfelt. Doch eins haben alle gemeinsam: Es sind linke Hände. „Die linke Hand steht für den Einsatz gegen Rechts“, erklärt Bastian Stephan (18). Er ist einer der Schüler der Wirtschafts- und Politik-Klassen des Berufsbildungszentrums (BBZ), die eine Ausstellung gegen Rassismus vorbereitet haben. Gestern präsentierten sie das Ergebnis in der Aula ihren Mitschülern. Alle Besucher hinterlassen den Abdruck ihrer Hand auf dem Laken. Jede Klasse hat ihr eigenes kleines Projekt umgesetzt: Es geht um Rassismus auf Wahlplakaten, Hass gegen Religionen und rechtsradikale Musik. „Radio Z ist einer der bekanntesten rechtsradikalen Sender“, erklärt Robin Grebe, der sich gemeinsam mit seiner Gruppe mit Gewalt in den Medien befasst hat. Auf der anderen Seite gebe es viele Radiosender und Newcomerbands, die klar gegen Rassismus mobil machen würden. Der von Schülern gegründete Radiosender „Courage“ zeige: „Man kann auch als kleine Gruppe etwas dagegen unternehmen“, so Robin Grebe (Eckernförder Zeitung).

Grassierender Rassismus: Neue Broschüre über Diskriminierung im Alltag

Weniger gewalttätige Übergriffe, aber ein gleichbleibend hohes Maß an rassistischer Alltagsdiskriminierung in Potsdam: Das ist die vorläufige Bilanz der „Opferperspektive“. Gestern stellte der Verein seine neue Publikation im Stadthaus vor. Seit September 2009 betreuen die freiwilligen Helfer in ganz Brandenburg Opfer von Alltagsrassismus. 86 Fälle von Ausgrenzung, Diskriminierung und fremdenfeindlicher Beleidigung hat die „Opferperspektive“ in dieser Zeit dokumentiert – fast ein Drittel davon allein in Potsdam. „Aber das ist nur die Spitze des Eisbergs“, sagt Zülfukar Cetin, der als Berater für den Verein arbeitet. „Die meisten Menschen behalten diskriminierende Erlebnisse für sich und melden sich gar nicht erst bei uns.“ (Märkische Allgemeine)

 

Weiterlesen

2022-05-01 Berlin (247)

Interview „Vorher waren es Rechte, die antisemitisch waren, jetzt Teile des linken Milieus“

„Ich glaube, dass man Antisemiten bekämpfen kann, nicht aber den Antisemitismus. Das ist ein Grundgefühl, das kein Fehler im Betriebssystem der Moderne ist. Es gehört zur Moderne.“ Ein Interview zum Auftakt der Bildungs- und Aktionswochen gegen Antisemitismus mit Natan Sznaider, Professor für Soziologie an der Akademischen Hochschule in Tel Aviv.

Von|
Eine Plattform der