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30.10.2012 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: NSU: Bundesinnenminister Friedrich rechnet mit Anklagen gegen mehrere Personen +++ NPD: Tendenzen für einen erfolgreichen Verbotsantrag +++ Familien der NSU-Opfer erhalten Entschädigung.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

NSU: Bundesinnenminister Friedrich rechnet mit Anklagen gegen mehrere Personen

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) erwartet im Fall der NSU-Terrorgruppe mehrere Anklagen. „Ich bin überzeugt, dass die Generalbundesanwaltschaft noch in diesem Jahr Anklage erheben wird – gegen mehrere Personen. Und dann wird auch Recht und Gerechtigkeit ihren Weg finden“, sagte Friedrich am Sonntagabend in der ARD-Sendung „Günther Jauch“. Jeder, der beteiligt gewesen sei an den Morden des „Nationalsozialistischen Untergrunds“ werde zur Rechenschaft gezogen. Beobachter rechnen damit, dass die Bundesanwaltschaft im November Anklage erhebt. Insgesamt wird gegen 13 Beschuldigte im Zusammenhang mit den NSU-Taten ermittelt. Als wahrscheinlich gelten Anklagen gegen Beate Zschäpe als einzige Überlebende der Zwickauer Zelle sowie den ehemaligen NPD-Funktionär Ralf Wohlleben. Sie sitzen noch in U-Haft. (Sueddeutsche.de, Westdeutsche Zeitung, BR-Online) Unterdessen hat Innenminister die erschreckenden Pannen bei den Ermittlungen zur Mordserie sowohl auf individuelles als auch auf strukturelles Versagen zurückgeführt. Friedrich sagte dem Sender MDR Info am Dienstag: „Das ist genau das, was jetzt untersucht wird in den Ausschüssen, auch in der Bund-Länder-Kommission.“ Dort, wo es strukturelle Probleme gegeben habe, werde jetzt etwas verändert, kündigte Friedrich an. „Wenn man die lokalen und regionalen Aufklärungsstrukturen beispielsweise in Thüringen, beispielsweise in Bayern, verzahnen und vernetzen würde mit den bundesweiten, dann hätte man zumindest die Chance, solche Dinge in der Zukunft schneller aufzuklären oder zu verhindern.“ (Welt Online)

NPD: Tendenzen für einen erfolgreichen Verbotsantrag

Noch in diesem Jahr könnte die rechtsextreme NPD in die Geschichte der Bundesrepublik eingehen – als dritte Partei, die verboten wird. 2003 scheiterte ein erster Verbotsantrag gegen die NPD. Jetzt haben die Innenminister wieder 1.000 Seiten Belege gesammelt. Im Dezember will die Innenministerkonferenz abschließend beraten, ob sie den Ministerpräsidenten einen zweiten Anlauf zu einem Verfahren am Bundesverfassungsgericht empfiehlt. Wenn ja, wird sich zeigen, ob Bundesregierung und Bundestag mitziehen. Welche Erfolgschancen kann ein zweiter Anlauf haben? (Tagesspiegel) In einer kurzen Chronik stellt der „Tagesspiegel“ die jüngsten Stationen um den neuerlichen möglichen Verbotsversuch zusammen. (Tagesspiegel) Die Berliner Tageszeitung stellt außerdem fest: Die Basis der rechtsextremen Partei bröckelt. Die NPD sei zur ostdeutschen Regionalpartei mutiert und habe heute noch etwa 6.000 Mitglieder. (Tagesspiegel)

Familien der NSU-Opfer erhalten Entschädigung

Die Opfer des Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) sind von der Bundesregierung mit 900.000 Euro entschädigt worden. Das teilte das Bundesjustizministerium mit. Das Geld kommt aus einem Fonds für die Opfer extremistischer Übergriffe. Laut einem früheren Schreiben des Bundesjustizministeriums vom März 2012 erhalten Ehepartner und Kinder der ermordeten neun Kleinunternehmer eine Pauschale von 10.000 Euro, Geschwister 5.000 Euro. Im Fall der ermordeten Polizistin aus Heilbronn seien 25.000 Euro an die Hinterbliebenen ausgezahlt worden. An die Opfer der beiden Bombenanschläge in Köln seien insgesamt 140.000 Euro überwiesen worden. Die Familien bekommen zudem die Beerdigungskosten erstattet. Weitere Zahlungen seien unwahrscheinlich, heißt es in einem Zeitungsbericht. (Zeit Online, Spiegel Online, taz)

Stadt Leipzig entscheidet: NPD darf nicht direkt vor Moschee demonstrieren

Die NPD darf am Donnerstag nicht wie geplant vor der Al-Rahman-Moschee in der Leipziger Roscherstraße demonstrieren. Dies entschied die Stadt am Montag nach zwei Kooperationsgesprächen mit den Anmeldern der geplanten Kundgebungen am 1. November. Als Begründung verwies das Ordnungsamt in einer Mitteilung darauf, dass das „Grundrecht der freien Religionsausübung gemäß Artikel 4 Absatz 2 des Grundgesetzes“ gewahrt werden müsse. Der Kundgebungsort werde deshalb an die Ecke Roscherstraße/Berliner Straße und damit etwa 200 Meter von der Moschee entfernt verlegt. Zudem erteilte das Ordnungsamt zwölf Auflagen für die zwischen 15 und 17 Uhr angemeldete NPD-Demo in Sichtweite zur Moschee, darunter zum Ordnereinsatz und zur Benutzung von „Kundgebungsmitteln“. Elf Auflagen beziehen sich auf den von 17 bis 19 Uhr geplanten Aufmarsch vor der geplanten Asylbewerberunterkunft in der Pittlerstraße in Wahren. (Dresdener Neueste Nachrichten)

Flüchtlingsproteste am Brandenburger Tor: Schlafsäcke sind nicht erlaubt

Trotz eisiger Temperaturen harren noch immer mehrere Asylbewerberinnen und Asylbewerber am Pariser Platz aus. Mit einem Hungerstreik protestieren sie gegen Residenzpflicht, Sammelunterkünfte und Asylpolitik. Die Polizei nahm den Flüchtlingen erneut Schlafsäcke weg. Nun schaltet sich auch die Politik ein. (Störungsmelder)

RechtsRock boomt in Sachsen

In Sachsen finden im Bundesvergleich mit Abstand die meisten extrem rechten Konzerte statt, allein im vergangenen Jahr spielte sich fast ein Viertel davon in einem Gasthof im nordsächsischen Staupitz ab. Die Ortschaft unweit der Stadt Torgau ist in den letzten Jahren zu einem der landesweit wichtigsten Orte für extrem rechte Konzerte geworden. Mit „Moshpit“ und „Painful Awakening“ standen dort am Samstagabend gleich zwei der bekanntesten Bands aus dem extrem rechten Hatecore-Spektrum auf dem Programm. (Störungsmelder)

Eberswalde: Rassismus-Vorwurf gegen zwei Drittklässler

Mit Entsetzen hat der Beirat für Migration und Integration des Landkreises Barnim den Hilferuf von Eltern eines Drittklässlers aus der Karl-Sellheim-Schule zur Kenntnis genommen, in dem der Vorwurf der Diskriminierung und Ausländerfeindlichkeit erhoben wird. Der zehn Jahre alte Sohn eines in Bernau lebenden und aus der ehemaligen Sowjetunion stammenden Ehepaares soll von zwei seiner Mitschüler als „dreckiger Russe“, „russisches Schwein“ und sogar als „Untermensch“ beschimpft worden sein. Das steht in dem Eltern-Brief an die Schulleiterin, die Jüdische Gemeinde des Kreises Barnim und den Beirat. (Märkische Oderzeitung)

Militante Aufrüstung: Nazi-Hooligan „SS-Siggi“ Borchardt heuert bei der „Rechten“ an

Nach außen gibt sich die von dem bekannten Nazi Christian Worch gegründete Partei „Die Rechte“ bürgerlich, die Systemfrage stellt sie in ihrem behutsam formulierten Programm nicht. Ihr Personal lässt aber nur einen Schluss zu: Hier sind Wölfe im Schafspelz am Werk. Mit ihrem neuesten Zugang, dem berüchtigten Siegfried „SS-Siggi“ Borchardt, zeigt sich, wes Geistes Kind sie ist. Der u. a. wegen schweren Landfriedensbruchs und gefährlicher Körperverletzung vorbestrafte 58-Jährige machte sich als Gründer der „Borussenfront“, einer der berüchtigtsten Hooligan-Gruppierungen der 1980er Jahre, einen Namen. Gleichzeitig war er im Dunstkreis der verbotenen „Aktionsfront Nationaler Sozialisten/Nationale Aktivisten“ (NSA/NA) Michael Kühnens aktiv, in der sich auch Worch an führender Stelle engagierte. (Endstation Rechts, blick nach rechts)

Neue Studie: Dschihad auf Deutsch

Das Cover zeigt einen vermummten Kämpfer. Dann folgt die „Abrechnung mit Deutschland“, wie die Dschihadisten ihre Botschaft überschreiben. Es ist ein Aufruf zum Mord an allen, die Karikaturen des Propheten zeigen. Man solle sie köpfen, die Tötung filmen – und die Clips öffentlich machen. Als dieser Mordaufruf vor Kurzem durchs Netz geisterte, war die Aufregung groß. Von einer „neuen Medienoffensive“ deutscher Islamisten sprach der Verfassungsschutz. Doch so heftig der Aufruf – ganz neu ist das Netzwerk hinter der Drohbotschaft nicht. Globale Islamische Medienfront steht dort als Urheber, eine Propagandatruppe, die seit Jahren immer wieder im Netz ihr Unwesen treibt, aller staatlichen Repression zum Trotz. Die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin veröffentlicht an diesem Dienstag nun die erste große deutsche Studie zum Internetdschihad. Der „taz“ lag sie vorab vor. Darin schildern der Terrorismusforscher Guido Steinberg und Kollegen, wie sich die dschihadistische Propaganda in den letzten fünfzehn Jahren verändert hat – und wie der Dschihad im Netz schließlich deutsch wurde. (taz)

Runde zwei: Nächste Anklage gegen Ex-Altermedia-Betreiber Axel Möller

Vor knapp einem Jahr wurde Axel Möller zu einer zweieinhalbjährigen Haftstrafe verurteilt. In Dutzenden Fällen war er für volksverhetzende Inhalte auf dem Nazi-Portal „Altermedia“ schuldig gesprochen worden. Jetzt hat die Staatsanwaltschaft erneut Anklage erhoben – Möller droht eine Ausweitung seiner Haftzeit. (Endstation Rechts)

Vorpommern: Berliner Ex-Hausbesetzer im Widerstand gegen Nazis

Vorpommern ist eine Hochburg der Rechtsextremen. Der ehemalige Berliner Günther Hoffmann kämpft dagegen: Er nervt die Nationalen, er organisiert Demos, Festivals und Kampagnen. Die NPD hat ihren schärfsten Gegner im äußersten Nordosten längst im Visier, auf ihren Internetseiten versucht sie, sich über ihn lustig zu machen, feindet ihn an, bepöbelt ihn. Hoffmann lächelt dazu nur. Er macht es wie seine politischen Gegner, er geht in die Vereine, ist bei der freiwilligen Feuerwehr aktiv und sitzt im „Mühlengraben“, was er sich vor 25 Jahren wohl auch nicht vorgestellt hat. Damals war er noch in der Hausbesetzerszene West-Berlins aktiv – ein Porträt. (Berliner Morgenpost)

Und das an Riegers Todestag: Nazi-Aufmarsch in Wunsiedel verboten

Gestern jährte sich der Tod des ehemaligen NPD-Spitzenkaders Jürgen Rieger zum dritten Mal. Zahlreiche rechtsextreme Webseiten warten deshalb mit Trauerbekundungen auf. Da außerdem der braune Aufmarsch am Volkstrauertag in Wunsiedel verboten wurde, dürften einige Nazis den Tag in schlechter Erinnerung behalten. (Endstation Rechts)

Aktionsbündnis Halbe bereitet Veranstaltung gegen Nazis vor

Unter dem Motto „Vielfalt tut gut im Schenkenländchen“ findet am 18. November, am Vortag des Volkstrauertags, in Halbe eine Veranstaltung statt, die durch ziviles gesellschaftliches Engagement deutlich macht, dass es in Halbe keinen Platz für Naziaufmärsche gibt. „Die Gemeinden des Amtes, unterstützt durch das Aktionsbündnis Halbe gegen Heldengedenken und Naziaufmärsche, treffen die Vorbereitungen“, sagt Karin Weber, Moderatorin des Bündnisses. Es würden sich zahlreiche Bürgerinnen und Bürger an der Gestaltung des Tages beteiligen. (Lausitzer Rundschau)

Nazi-Verbrechen: Die SS als Zuhälter

Zwangsprostitution war Alltag in vielen Konzentrationslagern, die meisten Frauen schwiegen später über ihre sexuelle Ausbeutung. Eine Dokumentation widmet sich nun diesem bislang wenig bekannten Kapitel der NS-Geschichte. (Tagesspiegel)

Köln: Neue Ausstellung über Rechtsextremismus eröffnet

Ein Jahr nach Auffliegen der NSU-Mordserie hat Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen eine Ausstellung über die Gefahren des Rechtsextremismus in der Kölner Polizeizentrale in Kalk eröffnet. Es sei kein zeitlicher Zufall, dass die Schau „Die Braune Falle“, die sich vor allem an Schülerinnen, Schüler und Jugendliche wendet, nun in neu konzipierter Form über Strukturen und verfassungsfeindliche Ziele des Rechtsextremismus informiere, sagte Maaßen. (Welt Online)

Rezension: Kontinuität rechtsextremistischer Gewalt

Der Journalist Olaf Sundermeyer legt mit „Rechter Terror in Deutschland. Eine Geschichte der Gewalt“ einen Reportageband zum Thema vor, welcher insbesondere der Darstellung bekannter und weniger bekannter Fälle der letzten Jahre über die NSU-Serienmorde hinaus große Aufmerksamkeit schenkt. Denn das mediale Interesse an der NSU-Terrorserie lenkt en Blick davon ab, dass es darüber hinaus mit geringerer Intensität durchaus noch andere Fälle rechtsextrem motivierter Gewalt gibt. Die von den Polizeibehörden präsentierten statistischen Daten gehen von um die zwei Fälle pro Tag aus. (Humanistischer Pressedienst)

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