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28.09.2012 … Presseschau

Nach den Rechten sehen: Berlin: Antisemtische Vorfälle zu Jom Kippur +++ NSU-Ermittlungen: BKA wegen schwerer Versäumnisse kritisiert +++ Mehr Geld für Neonazi-Opfer.Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Berlin: Antisemtische Vorfälle zu Jom Kippur

Stephan Kramer, Generalsekretär des Zentralrats der Juden in Deutschland, ist in Berlin auf offener Straße bedroht worden: Der Täter habe sich offensichtlich von seinem Gebetsbuch provoziert gefühlt, sagte Kramer zu dem Vorfall, der am Mittwoch zu Jom Kippur, dem höchsten jüdischen Feiertag passierte. Der beschuldigte Mann habe ihn aufgefordert, dahin zurückzugehen, wo er herkomme. Kramer habe ihm daraufhin „zur Abschreckung“ seine Waffe gezeigt, die er als „gefährdete Person“ und Sicherheitsbeauftragter des Zentralrats der Juden tragen darf. Die Polizei ermitteln nun wegen wechselseitiger Bedrohung. Ein weiterer Vorfall ereignete sich am gleichen Tag im Bezirk Zehlendorf: Esther Dobrin gab an, mit ihrer Familie aus einem Taxi geworfen worden zu sein – weil sie Juden sind. Der Fahrer habe sie rausgeschmissen, als sie ihm sagte, dass sie zur Synagoge wolle, so Dobrin. Im Gespräch mit der „Berliner Zeitung“ macht die 37-Jährige einen erschütterten Eindruck: „Ich stand auf der Clayallee in meiner weißen Festtagskleidung wie ein begossener Pudel. Der hat uns angeguckt, als ob wir Dreck wären.“ Sie hat eine Anzeige bei der Polizei aufgegeben (Berliner Zeitung, Tagesspiegel).

NSU-Ermittlungen: BKA wegen schwerer Versäumnisse kritisiert

Die Mitglieder des NSU-Untersuchungsausschusses haben Mitarbeitern des Bundeskriminalamts (BKA) schwere Versäumnisse bei den Ermittlungen zur Waffenspur in der Neonazi-Mordserie vorgeworfen. Konkret hätte das BKA wichtige Hinweise lange nicht ernst genommen und in die falsche Richtung ermittelt. Zwar seien die Beamten auf der richtigen Spur gewesen, hätten diese aber nicht weiterverfolgt und sich fälschlicherweise auf türkische Täter konzentriert (ZEIT Online, n-tv, Sueddeutsche.de). BKA-Ermittler Werner Jung verteidigte das Vorgehen: Die meisten NSU-Opfer seien mit einer Ceska umgebracht worden, nach seinen Recherchen seien türkische Staatsangehörige überproportional oft illegale Besitzer dieser Pistolen. Deswegen hätten sie im Zentrum der Ermittlungen gestanden. Für diese Aussage erntete Jung heftige Kritik: Diese Argumentation sei nicht nachvollziehbar. Schon 2004 habe ein Fax die Ermittler auf die Spur eines Waffenhändlers in der Schweiz gebracht. In diese Richtung sei aber nicht hinreichend ermittelt worden. Unterdessen wurde im Fall des mutmaßlichen V-Manns und NSU-Helfers Thomas S. von Berlins Innensenator Frank Henkel (CDU) ein Sonderermittler eingesetzt: Der Berliner Oberstaatsanwalt Dirk Feuerberg solle in Ergänzung zum Bundestagsuntersuchungsausschuss arbeiten (FAZ, Welt). Unterdessen wird Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) am Freitag im Untersuchungsausschuss aussagen. Ihm wird vorgeworfen, den Landtag nicht hinreichend über den Stand der NSU-Ermittlungen informiert zu haben (Frankfurter Rundschau). Weiter wurde bekannt, dass das NSU-Trio angeblich Ignatz Bubis, früherer Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland, ins Visier genommen hatte. So sollen die Terroristen 1999 eine Bombenattrappe in das Frankfurter Büro von Bubis geschickt haben (Welt Online). 

Mehr Geld für Neonazi-Opfer

Für die Opfer rechtsextremer Überfälle steht künftig doppelt so viel Geld zur Verfügung wie bisher. So teilte der Bundestag mit, dass der Haushaltsausschuss den Posten für Hilfszahlungen im Etat des Justizministeriums von 500.000 Euro auf eine Million Euro aufgestockt. Zur Begründung hieß es, dies sei durch die massiv gestiegenen Fallzahlen durch die NSU-Verbrechen notwendig geworden. Zur Gegenfinanzierung würden im kommenden Jahr die Ausgaben für Informationstechnik gekürzt (Greenpeace Magazin, Bundestag).

NSU-Opfer: Ein Platz für Halit in Kassel

Die Stadt Kassel wird am 1. Oktober einen bislang namenlosen Platz nach dem NSU-Opfer Halit Yozgat benennen. Der damals 21-Jährige verblutete am 6. April 2006 in den Armen seines Vaters, erschossen von Mitgliedern der NSU. Der Platz befindet sich ganz in der Nähe des Tatorts, dem Internetcafé von Yozgat. Ein Gedenkstein auf dem Halitplatz wird die Namen der zehn NSU-Opfer tragen, außerdem folgende Botschaft: „Wir sind bestürzt und beschämt, dass diese terroristischen Gewalttaten über Jahre nicht als das erkannt wurden, was sie waren: Morde aus Menschenverachtung. Wir sagen: Nie wieder!“ (FR Online).

Wehrbeauftragter sieht keine Probleme mit Rechtextremismus bei der Bundeswehr

Der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hellmut Königshaus (FDP), hat keine Erkenntnisse über allgemeine rechtsradikale Tendenzen in der Bundeswehr. So erklärte er bei der Debatte im Bundestag über seinen Jahresbericht 2011, bei noch immer fast 200.000 Soldaten*innen lägen die bekanntgewordenen Vorfälle „glücklicherweise“ an Anzahl und Schwere unterhalb der Durchschnittswerte der Gesellschaft (Welt Online).

Razzia bei Potsdamer Rechtsextremen

Rechtsextreme in Potsdam stehen weiter im Fokus der Sicherheitsbehörden. Bereits in der vergangenen Woche hatte die Polizei mehrere Wohnungen durchsucht, Anlass dafür ist ein Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft Potsdam gegen mehrere Neonazis aus Waldstadt wegen Verstoßes gegen das Versammlungsgesetz. Mehrmals waren die Rechtsextremen in den vergangenen Wochen mit Fackeln durch das Plattenbauviertel gezogen, der letzte Aufmarsch fand als direkte Reaktion auf den Polizeieinsatz statt. Derweil wird auch der kürzlich von Tausenden Potsdamer*innen verhinderte NPD-Aufmarsch in der Innenstadt weiter diskutiert. Die NPD teilte auf ihrer Internetseite mit, das Verhalten der Polizeiführung als auch des Oberbürgermeisters rechtlich überprüfen zu lassen (Potsdamer Neueste Nachrichten).

Umstrittene „Vermisst“-Aktion gegen geht weiter

Die Postkartenkampagne des Bundesinnenministeriums gegen eine Radikalisierung junger Muslime steht weiter in der Kritik. Im Rahmen der umstrittenen „Vermisst“-Aktion wurden kartonweise Karten in der Kölner Keupstraße – also dem Ort, wo 2004 ein NSU-Terroranschlag verübt wurde. Muslimische Verbände und die Opposition reagierten empört. So erklärte der Sprecher des Koordinationsrats der Muslime in Deutschland (KRM), Ali Kizilkaya: „Dieser Vorgang ist an Unsensibilität kaum mehr zu überbieten und ist umgehend einzustellen.“ Trotz der Kritik wird die seit Beginn umstrittene Aktion fortgeführt: Auf Postkarten, im Internet und via Presseanzeigen gehe die Kampagne weiter, sagte eine Ministeriumssprecherin (Sueddeutsche.de, Der Westen). taz-Redakteur Daniel Bax kommentiert die Kampagne (taz).

„Pro Münster“ soll nicht entstehen: Vereine blockieren rechtsextreme Parteinamen

„Pro Köln“, „Pro NRW“, „Pro Deutschland“: Unter dem „Pro“-Label sind in den vergangenen Jahren unterschiedliche rechtspopulistische Parteien entstanden. Damit das nicht auch in Münster passiert, haben sich bereits 2007 multikulturelle Vereine mit den Namen „Pro Münster“ und „Pro Münsterland“ gegründet, die sich auch ins Vereinsregister haben eintragen lassen. Ziel der Aktion: Die Namen sollen so blockiert werden. Beide Vereine sind nicht zu verwechseln mit der ähnlich klingenden „Bürgerbewegung Pro Münster“, bei der vermutet wird, dass es sich um einen „NPD-Tarnverein“ handelt. Dieser machte gerade erst Schlagzeilen, als er dem NPD-Landesverband in Essen eine Immobilie vermietete. (Westfälische Nachrichten).

Pro NRW-Kundgebung in Bonn: Mohammed-Karikaturen dürfen nicht gezeigt werden

Die Bonner Polizei wird die für diesen Samstag geplante Pro-NRW-Kundgebung vor der König Fahd-Akademie in Bonn nicht verbieten. Bis in den späten Abend dauerten entsprechende Beratungen im Präsidium. Wie Polizeisprecherin Daniela Lindemann erklärte, sei ein Verbot sei „trotz intensivster Prüfung nicht begründbar“. Allerdings gebe es strenge Auflagen für die Demonstration. So werde das ursprünglich von Pro NRW geplante Zeigen von Mohammed-Karikaturen untersagt, eine „Mahnwache“ muss an einem anderen Ort stattfinden. (General-Anzeiger Bonn).

Aufregung um „Die Orsons“-Song „Horst und Monika“

Die Geschichte, die die Band „Die Orsons“ in ihrem Song „Horst und Monika“ erzählen, klingt unglaublich: Es geht um das NPD-Mitglied Horst, ein bekannter Nazi, der merkte, dass er im falschen Körper lebte – und beschloss, mit dem Namen Monika als Frau zu leben. Nach einer Geschlechtsumwandlung trat Monika in die Linkspartei ein. Tatsächlich beruht der Songtext auf einer wahren Begebenheit, die „Orsons“ treten mit „Horst und Monika“ auch beim Bundesvision Song Contest auf. Doch das Lied sorgt für Wirbel: Zum einen wehrt sich die echte Monika und klagt auf Unterlassung, unterstützt von der „Aktion Transsexualität und Menschenrechte e.V.“ Zum anderen wurde auch Kritik an der stark vereinfachten und teilweise abwertenden Darstellung im Song laut (no-nazi.net). Mittlerweile haben die „Orsons“ Stellung zu den Vorwürfen genommen und dabei auch Fehler eingestanden (rap.de).

Fußball und Rechtsextremismus: Angriff von Rechtsaußen

Rassistische Anfeindungen von Spielern, rechtsextreme Aktivitäten in und um Stadien – immer mehr rückt das Verhältnis von Fußball und Rechtsextremismus in den Fokus. Fußball als gemeinsames Erlebnis und die Anonymität in der Masse der Fans sowie die Ehrenamtsstrukturen gerade in den kleineren Vereinen bieten heute Wege für Rechtsextreme, ihre Ideologie auf subtile Art und Weise zu verbreiten. Am 4. Oktober finden dazu eine Lesung und eine Podiumsdiskussion im Jugendclubhaus Nordhausen statt (Neue Nordhäuser Zeitung). Unterdessen erklärt die Redaktion des Blogs „verbrochenes.net“ in einem offenen Brief, warum sie nicht an einer anderen Diskussion zur Frage „Wie verhindern, dass Neonazis die Bremer Fanszene unterwandern?“ teilnimmt, organisiert von der Bremer Bürgerschaftsfraktion der SPD. Statt eine solche Veranstaltung durchzuführen, sollte sich die Bürgerschaftsfraktion lieber mit den tatsächlichen Zuständen in um das Weserstadion beschäftigen, heißt es darin (Publikative.org).

Österreich: „Bringt alle Türken endlich um“ – Arbeitsloser verurteilt

Ein 19-jähriger Salzburger, der im April 2011 auf Facebook gepostet hatte: „Bringt alle Türken endlich um, Sieg heil für das Arier-Reich“, wurde nun vom Salzburger Landgericht wegen Verhetzung verurteilt. Noch Anfang des Jahres war das Verfahren eingestellt worden, da aber der Salzburger seine gemeinnützige Leistung von 50 Stunden nicht absolvierte, wurde er nun verurteilt (Krone).

Keine Käufer für Goebbels-Liebesbriefe

Liebesbriefe und andere persönliche Dokumente von Joseph Goebbels haben bei einer Versteigerung in den USA nicht wirklich einen Käufer gefunden. „Der Schätzpreis von 200.000 bis 300.000 Dollar wurde leider nicht erreicht, da hat der Besitzer zurückgezogen“, erklärte Andreas Kornfeld vom Auktionshaus Alexander Autographs in Stamford. Das Höchstgebot habe bei etwa 130.000 Dollar gelegen. Jüdische Organisationen hatten die Auktion im Vorfeld heftig kritisiert: „Dem Auktionshaus geht es nur um das Geschäft mit den Nazisouvenirs“, sagte etwa Menachem Rosensaft von einer Organisation von Holocaust-Überlebenden (Handelsblatt Online).

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Hass auf Frauen Wie die Incel-Community sich immer weiter radikalisiert

Schon mehrmals haben Incels – Männer, die glauben durch Feminismus würde ihnen Sex vorenthalten – tödliche Anschläge verübt. Doch mit der Radikalisierung ist es noch lange nicht vorbei. In immer extremeren Foren werden Pädophilie und Attentäter verherrlicht.

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