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26.07.2011 … Nach den Rechten sehen

Norwegen: Todesopferzahl auf 76 korrigiert, Täter in U-Haft, Rechtspopulisten sehen sich als „Opfer“ +++ Leverkusen: Brandanschlag auf Sinti-Haus +++ Handydaten-Affäre in Dresden: Auf der Suche nach der linken Mafia.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Attentate von Norwegen: Opferzahl auf 76 korrigiert

Die Polizei hat die Zahl der Opfer nun mit 76
nach unten korrigiert. Hunderttausende demonstrieren am Montag in Oslo dafür, trotz der Attentate Norwegens offene demokratische Kultur zu behalten (Zeit.de).

Attentäter kommt acht Wochen in Untersuchungshaft

Der Attentäter Anders Behring Breivik wurde derweil dem Gericht vorgeführt – entgegen seinem Wunsch unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Er gab den kaltblütigen Mord an 76 Menschen zu, betonte aber, dass er sich nicht schuldig bekenne, weil er sein Handeln für richtig halte. Er kommt nun für acht Wochen in Untersuchungshaft, die Hälfte in kompletter Isolation von der Außenwelt. Vor Gericht sagte er aus, er habe mit den beiden Anschlägen „ein kräftiges Signal“ an das Volk geben, der sozialdemokratischen Arbeiterpartei größtmöglichen Schaden zufügen wollen. Sie sei für die massenhafte Einwanderung von Muslimen verantwortlich und habe dafür bezahlen müssen (spiegel.de, (2), Video zur Motivation des Täters).

Skandinavische rechtspopulistische Parteien: Alles Opfer

Dass die rechtspopulistische Szene in Deutschland sich als unschuldige Opfer der Attentate sieht, berichtete netz-gegen-nazis.de gestern. Die taz hat sich bei den skandinavischen rechtspopulistischen Parteien umgehört, der norwegischen „Fortschrittspartei“, den „Schwedendemokraten“ und den „Wahren Finnen“. Und auch die sehen sich als „unschuldige Opfer“.

Ein sehr lesenswertes Interview zum Rechtspopulismus in Europa von seinen Anfängen rund um den 11. September 2001 bis zu den Anschlägen von Norwegen mit Anton Maegerle gibt es auf tagesschau.de.

Kommentare und Exegese

Bedenkenswerter Kommentar in der taz zur Beliebtheit der „Einzeltäter“-Rhetorik: „Es ist einfach, zu behaupten, Breivik sei ein einsamer Spinner. Konservativen Medien möchten sich ihre islamophoben Erklärungsmuster nicht nehmen lassen und etikettieren den Massenmord von Norwegen mit Verve zur unpolitischen Tat eines Wahnsinnigen um.“

Meinungsstarker Blogtext über den Unterschied von Islamkritik und islamfeindlicher Hetze www.exmuslime.at: „Der wahre Rassist ist immer auch ein Faschist. Seine ablehnende Haltung allem Fremden gegenüber ist immer da. Wenn es einen Grund gibt Kritik zu üben ist er der Erste. Wenn es keinen Grund gibt, dann erfindet er diesen Grund. Als Erster; um weiter zu schimpfen. Der Rassist ist meist auch ein Nationalist. Sein Fremdenhass ist ideologisch begründet und mit Argumenten und unzähligen Gegenbeispielen an positivem Verhalten vieler Ausländer nicht zu mildern. Jeder positive Fall ist für ihn ein Einzelfall.“

Und das Migazin betrachtet den Reflex der deutschen Medien, die Attentate sofort islamistischen Tätern zuschreiben zu wollen – obwohl etwa im Jahr 2010 in der EU von 249 verübten Terroranschlägen lediglich drei von islamistischen Terroristen begangen wurden.

Brandanschlag auf Sinti und Roma in Leverkusen

In der Nacht zum Montag haben laut Augenzeugenberichten zwei Männer Molotowcocktails auf ein Haus in Leverkusen geworfen, das von 19 Sinti und Roma bewohnt wird. Die zur Tatzeit im Haus befindlichen 9 Bewohner konnten sich in Sicherheit bringen, die Wohnung brannte komplett aus. Ein rechtsextremer Hintergrund wird nicht ausgeschlossen. Die Nachbarn reagieren auf den Anschlag nicht nur mit Mitgefühl (rp-online, taz).

Die rechtsextreme NPD rüstet sich für die Wahlen in Mecklenburg-Vorpommern

Nach der Pleite bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt hat die NPD bis auf weiteres keine realistische Chance, die viel beschworene Achse Dresden, Magdeburg, Schwerin zu schließen. Der Wiedereinzug in den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern ist für die Rechten damit zum Minimalziel geschrumpft (Telepolis).

Dazu passt aktuell: Nachdem es jüngst scharfe Kritik an der Ueckermünder Stadtverwaltung gegeben hatte, weil am Badewannen-Rennen während des Hafenfestes ein Floß mit NPD-Wahlwerbung teilgenommen hatte, hat das Rathaus bei den Hafftagen am Wochenende gegengesteuert und untersagt, „rechtsextremes, rassistisches, antisemitisches, antidemokratisches oder verfassungswidriges Gedankengut darzustellen und/oder zu verbreiten“ (Nordkurier).

Handydaten-Affäre in Dresden

Weil die sächsische Polizei eine linksmilitante Mafia sucht, aber nicht findet, sammelt sie immer mehr Daten, basierend auf Handy-Nutzungsdaten während der Anti-Nazi-Demonstration in Dresden im Februar 2011. Damit solle „in die Breite ermittelt“ werden. Der Erfolg bleibt derweil weiter aus (taz).

Schwalm-Eder-Kreis: Protest-Austritte aus der Feuerwehr wegen rechtsextremer Mitglieder

In der Einsatzabteilung der freiwilligen Feuerwehr im Morschener Ortsteil Binsförth gehören neun der 24 Mitglieder der rechtsradikalen Szene an oder stehen dieser nahe. Drei der Männer und eine Frau haben deswegen vor kurzem ihren Austritt erklärt. Noch wartet Bürgermeister Herbert Wohlgemuth, ob die Rechtsextremen sich rühren, sagt aber :?Wenn sie sich aufgrund des Drucks, der nun auf ihnen lastet, nicht selbst melden, müssen wir die Konsequenzen ziehen.? (HNA)

Bad Nenndorf: Jüdische Sabbatfeier am 6. August wegen Neonazi-Demo vor der Synagogentür unter Polizeischutz

Unter Polizeischutz sollen am 6. August die Besucher einer jüdischen Sabbatfeier zu ihrem Bet-Raum im niedersächsischen Bad Nenndorf gebracht werden. Zeitgleich findet auf der Straße direkt vor der Synagoge ein Aufmarsch der Neonazi-Szene statt, zu dem mehr als 1.000 Rechtsextreme aus dem ganzen Bundesgebiet erwartet werden, sagte Karsten Worbs vom Ordnungsamt des Landkreises Schaumburg am Freitag dem epd. Die Neonazis veranstalten seit 2006 einen „Trauermarsch“ zum ehemaligen britischen Militärgefängnis Wincklerbad im Ort. Sie haben die Veranstaltung bis zum Jahr 2030 angemeldet (epd).

Pest, Pogrome, Paranoia

Neue Studie zeigt erschreckende Ergebnisse: Wo im Mittelalter Juden verfolgt wurden, waren die Nazis später besonders stark (mut-gegen-rechte-gewalt.de).

Antisemitische Parolen im Vorfeld des DFB-Pokals

Im Vorfeld des DFB-Pokal-Spiels Halle-Frankfurt am Wochenende machen einige Fans des HFC mit der antisemitischen Parole „Frankfurt und Chemie ? Judensympathie!!!“ auf sich aufmerksam. (Frankfurter Rundschau, Roter Stern Berlin)

raf

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