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18.03.2011 … Nach den Rechten sehen

Parteien in Sachsen-Anhalt rufen auf, nicht die NPD zu wählen +++ Singen des „Horst-Wessel-Liedes“ kostet Neonazi 1050 Euro +++ Überfall auf Zahide Sarikas in Konstanz: Offenbar deutscher Täter.

Die tägliche Presseschau von netz-gegen-nazis.de

Sachsen-Anhalt: Drei Tage vor der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt haben sich die Spitzenkandidaten der großen demokratischen Parteien zu einem ungewöhnlichen Schritt entschlossen: In einem gemeinsamen Aufruf warnen sie eindringlich vor einem Einzug der rechtsextremen NPD ins Landesparlament (Volksstimme, Welt, hier der Wortlaut des Aufrufs).

Auch Kabarettisten aus Magdeburg und Burg haben in einem offenen Brief die Sachsen-Anhalter zur Wahl aufgerufen. (Volksstimme).

Die Stadt Magdeburg hat derweil mehr als 200 Plakate der NPD wieder abgehängt, weil sie gegen Auflagen verstießen.(Endstation rechts).

Aufrufen sollten alle Besorgten allerdings wohl lieber zur Wahlbeteiligung: Bereits bei der Landtagswahl 2006 waren nur 44,4 Prozent der Sachsen-Anhaltiner zur Wahl gegangen – bundesweiter Tiefpunkt.(net-tribune, Deutsche Welle).

Da verschlug es dem Neonazi die Sprache: Weil er am 6. September 2008 auf einer Rechten-Demo das verbotene Horst-Wessel-Lied gesungen hatte, muss er jetzt tief in die Tasche greifen: Wegen ?Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen?, so lautet der Strafbestand, wurde der 26-Jährige zur Zahlung von 1050 Euro Strafe verurteilt (Der Westen).

Nach aktuellen Erkenntnissen der Polizei hat ein Deutscher die SPD-Landtagskandidatin Zahide Sarikas am Dienstagabend in Konstanz brutal überfallen und misshandelt. Mittlerweile gibt es eine Täterbeschreibung. Der gesuchte Mann hatte die Sozialdemokratin mit türkischen Wurzeln am 15.03.2011 in ihrem Konstanzer Wahlbüro angegriffen und krankenhausreif geschlagen. Zahide Sarikas liegt nach dem brutalen Überfall noch im Konstanzer Klinikum. Die Ermittler nehmen auch ein NPD-Internetforum unter die Lupe, in dem zur „Schändung linker Frauen“ aufgefordert wurde (Südkurier).

Ganz normale Nachrichten: ein Tag der Offenen Tür in Schwerin, Richtfest in Rostock und Verkehrsmeldungen aus Mecklenburg-Vorpommern. All dies findet sich auf dem Portal für die Nachbarschaft: „MV Regio„. Wer allerdings genauer hinschaut, findet noch mehr: Pressemitteilungen der NPD, unkommentiert (NDR).

Baden-Württemberg: Die Republikaner treten zwar in allen 70 Wahlkreisen Baden-Württembergs zur Landtagswahl im März an, werden dabei aber bedeutungslos bleiben (Boulevard Baden).

Rechtsextremer Transportunternehmer wird vom Landgericht Stade wegen Landfriedensbruch verurteilt. Doch Sebastian Stöber ist nicht nur Neonazis, sondern auch Rocker und Mitglied des MC „Gremium Germany“ – und interessant am Prozess weniger der Ausgang als der gewandte Auftritt des Angeklagten (bnr.de).

Raumgewinn und Normalisierungsgewinn: Wie Neonazis sich in der Gesellschaft breit zu machen versuchen (Märkische Allgemeine).

Der Vormarsch der rechtspopulistischen „Wahren Finnen“ vor der Parlamentswahl am 17.04.2011 in Finnland hält an. Laut einer Studie überholte die Partei des EU-Parlamentariers Timo Soini bereits die oppositionellen Sozialdemokraten und die Zentrumspartei von Ministerpräsidentin Kiviniemi in der Wählergunst und könnte an der Führung der Konservativen kratzen (Kleine Zeitung).

Bundeskanzlerin Angela Merkel wird am 26. März die Stadt Trier besuchen. Exakt an diesem Tag plant die rechtsextreme NPD eine Demo in der Innenstadt (Volksfreund).

Die Landesbischöfin der Evangelischen Kirche Mitteldeutschland (EKM), Ilse Junkermann, hat die europäische Flüchtlingspolitik scharf kritisiert. Junkermann sagte zu Beginn der Frühjahrssynode der EKM in Wittenberg, es sei „hoch beschämend“, wie sich Europa jahrelang mit dem libyschen Diktator Gaddafi verbündet habe, damit afrikanische Flüchtlinge nicht nach Europa kommen. Die Bischöfin mahnte eine „angemessene Migrations- und Integrationspolitik“ für Europa an. Mit Blick auf die Landtagswahl am Sonntag in Sachsen-Anhalt rief die Bischöfin die Menschen auf, wählen zu gehen. Mit Sorge sehe sie das Interesse an der rechtsextremen NPD. Rechtsextremismus und Glaube seien unvereinbar, sagte Junkermann (mdr).

Mit einer „Ausländer Raus“- Kampagne versuchen Berliner Neonazis Stimmung zu machen ? aktiv sind sie besonders um den Bahnhof Lichtenberg im Osten Berlins. Daraufhin gab es bereits Übergriffe im Kiez. (bnr.de).

Am 4. März 2011 wählte ?Pro Deutschland? in der Mitgliederversammlung in Berlin Patrick Brinkmann zu ihrem Landesvorsitzenden. Der Rechtspopulismus rüstet sich für den Wahlkampf in Berlin.(mut-gegen-recht-gewalt.de).

Frankreich: Am Sonntag finden in Frankreich Kantonatswahlen statt. Die rechtsextreme Partei Marine Le Pens, die Front National, könnte in ihrer Hochburg im Norden des Landes einen Erfolg erzielen (taz).

Der britische Stargeiger Daniel Hope (36) ist bekannt für seine Grenzgänge in der Musik. Dieses Jahr ist er erstmals als Künstlerischer Direktor für die Festspiele Mecklenburg-Vorpommern verantwortlich (10.06. bis 11.09.). Er sagt zur Konzeption im dpa-Gespräch: „Diese Aufgabe verstehe ich auch als eine politische Herausforderung. Ich habe jüdische Wurzeln, und meine Familie hat unter der Nazi-Zeit sehr gelitten. Deshalb ist es für mich besonders erschreckend, mit Neonazis und Skinheads die Geister der Vergangenheit wieder zu sehen, egal wo. Bei dem Festival setzen wir uns damit auseinander. Wir haben ehemalige Synagogen wieder als Spielstätten eröffnet, wir spielen von den Nazis verbotene Musik und erinnern an Musiker, die in der NS-Zeit ermordet wurden. Ich möchte auch Lesungen anbieten und die Musik-Wortprogramme ausbauen. Denn das ist für mich das A und O: das Sprechen darüber und nicht das Schweigen davon.“

Vor dem Parteitag von „pr NRW“ in Leverkusen am Samstag tun sich bei der selbst ernannten Bürgerbewegung Risse auf ? interne Kritik soll aber nicht an die Öffentlichkeit gelangen (bnr.de).

„Tolerant und weltoffen“ – unter diesem Titel veranstaltet das Aktionsbündnis für Demokratie in der Günzburger Innenstadt morgen Vormittag eine Kundgebung mit Demonstrationszug und Menschenkette. Die Grünen werden deutlicher: „Stoppt Nazis!“ heißt die von Kreis- und Bezirksverband organisierte Kundgebung am Nachmittag. Beide Veranstaltungen richten sich gegen den „Schwabentag“ der rechtsextremen NPD, ebenfalls morgen in Günzburg (Südwestpresse).

Die Jusos im Main-Kinzig-Kreis starten eine Kampagne gegen Rechtsextremismus. Der Grund: Rechte Parteien treten in mehreren Orten des Kreises bei der Kommunalwahl an. Bei plakativen Aktionen sollen Nazis weggekegelt oder verputzt werden (Frankfurter Rundschau).

Schrumpfungsprozess: Die NPD ist im Landtag von Mecklenburg-Vorpommern aktuell nur noch mit vier Mitgliedern vertreten – die anderen wurden wegen verschiedenster Unverschämtheiten ausgeschlossen (Endstation rechts).

Dresden: Innenausschuss debattiert über Polizeieinsatz am 19. Februar: Rechte der Gegendemonstranten verletzt, Fehleinschätzung des Gewaltpotentials der Nazis? (Freie Presse)

Junge Kieler Bands und Solisten werben mit Musik und Lärm für Toleranz und Respekt. „Rechts ? geht gar nicht“ heißt die von den Mädchen- und Jugendtreffs der Stadt produzierte Schulhof-CD, die gerade an weiterführenden Schulen in Kiel verteilt wird. Die Songs gibt es unter www.myspace.com/rechtsgehtgarnicht auch im Internet (Kiel-Magazin.de).

Auch die NPD und rechtsextreme Kameradschaften veröffentlicht immer wieder „Schulhof-CDs„. Die neueste aus dem Kameradschaftsspektrum heißt „Jugend in Bewegung“ (netz-gegen-nazis.de berichtete). Wie problematisch die eigentlichen Inhalte sind und wie einfache Kontaktmöglichkeiten in die Szene geboten werden, darüber hat jugendschutz.net auf ihrem Informationsangebot hass-im-netz.info Hintergrundinformationen.

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GTTO-Bericht Antisemitismus bei Impfgegner:innen in Griechenland

„Get The Trolls Out“ hat zusammen mit Partner-Organisationen aus ganz Europa einen Bericht zu Impf-Gegner:innen und Antisemitismus veröffentlicht. Er untersucht antisemitische Narrative bei Twitter und Facebook. Hier der Länderbericht aus Griechenland.

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Hufeisen pixabay

Die Extremismustheorie „Extrem unbrauchbar“ – Hufeisen im Kopf und die Gleichsetzung von rechts und links

Die Extremismustheorie behauptet, dass die Mitte der Gesellschaft von ihren Rändern bedroht wird. Eigentlich egal, ob von links oder rechts. Doch besonders die Gleichsetzung von Rechtsextremismus und Linksextremismus führt oft dazu, rechte Gewalt zu verharmlosen. Ein Interview zur Extremismustheorie mit den Herausgebern des Sammelbandes „Extrem Unbrauchbar“.

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