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Wie erkenne ich Hate Speech?

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Verschiedene Elemente von Hate Speech in einer Grafik zusammengefasst. (Quelle: AAS)

Hate Speech konkret zu definieren oder zu katalogisieren, ist kaum möglich, denn was Hate Speech ist, ist immer vom Kontext abhängig. Zwar gibt es eine Bandbreite klassischer Beschimpfungen, die meistens auch ein Diskriminierungsverhältnis anzeigen. Eine Beschränkung auf einzelne Wörter, die gesellschaftlich geächtet sind, würde allerdings zu kurz greifen. Sprache wird in erster Linie in dem Rahmen, in dem sie angewandt wird zu Hate Speech. Sprache formt und sortiert die Gedanken und bereitet Handeln vor. Emotionale Erregung ist dabei kein zwingendes Kriterium. Im Gegenteil kann Hate Speech nüchtern und sachlich formuliert werden. Ein prominentes Beispiel ist SS-Führer Heinrich Himmler, der in einer Rede vor SS-Männern betonte, dass er weder ein »blutrünstiger Mensch« sei noch »an irgendetwas Hartem«, was er tun müsse, »Freude oder Spaß« habe. Stattdessen erläuterte er, dass er ein großes Pflichtbewusstsein habe, und begründete die totale Vernichtung der Juden und Jüdinnen damit, die Deutschen vor der Rache jüdischer Nachfahren schützen zu wollen – wohlweislich erwähnt er nicht, wieso sie Grund zur Rache haben sollten. In dieser Rede Himmlers zeigt sich, dass Hate Speech weder emotional noch aufgeregt sein muss. Vielmehr wird der Hass mehrheitlich in rationaler Argumentation verschleiert. Letztlich ist diese Form der Hate Speech hoch gefährlich, da sie logisch und rational daherkommt und antisemitischen, rassistischen oder sexistischen Gewaltexzessen Legitimation verleiht.

Hate Speech zeigt sich in jedem Land anders

Hinzu kommt, dass bis heute die Nationalstaaten, basierend auf der eigenen Geschichte, definieren, was Hate Speech ist. Sie setzen in erster Linie den juristischen Rahmen. Deswegen gibt es in Deutschland den Paragraphen 130 im Strafgesetzbuch, der Volksverhetzung unter Strafe stellt und ganz explizit auch die Leugnung der Shoa – ein Tribut an die Lehren aus der deutschen Geschichte. Diese Umstände machen eine finale Katalogisierung von Hate Speech unmöglich. Eine Systematisierung und das Aufdecken grundsätzlicher Strategien von Hate Speech ist dagegen durchaus möglich. Grundlage für Hate Speech ist immer eine bestehende Diskriminierung von Gruppen aufgrund von Hautfarbe, Gender, Sexualität, ethnischem Hintergrund oder Religion. Hate Speech funktioniert nur, wenn sie eine kollektiv verankerte Abwertung anspricht und in Einklang mit gesellschaftlicher Diskriminierung steht. Rassismus gegen Weiße zum Beispiel kann situativ stattfinden, hat jedoch keine gesellschaftliche Dimension. Entsprechend fallen abwertende Aussagen über Weiße (z.B. »Kartoffel«) nicht unter Hate Speech, da ihnen schlicht die gesellschaftlichen Konsequenzen fehlen. Denn wem wird die Wohnung nicht gegeben, weil er oder sie weiß ist? Im Gegenteil wiederum kann das Anzeigen von diskriminierender Sprache sogar einen befreienden Moment erzeugen. Während sich Hate Speech grundsätzlich nur im Kontext verstehen lässt, gibt es dennoch Vorgehensweisen, die immer wieder auftauchen und als grundsätzliche Strategien betrachtet werden können.

Grundsätzlich gilt zu fragen: Wie wird eine Bezeichnung benutzt? Wird das Wort »schwarz« abwertend verwendet mit Bezug auf Schwarze Menschen? Wird »Mädchen« als Beleidigung benutzt, weil ein Verständnis vorliegt, demzufolge »Mädchen« minderwertig seien? Für Formen der verbalen Diskriminierung gibt es hilfreiche Tests, die einen Einblick geben:

Elemente von Hate Speech -> sehen Sie oben als Titelbild

 

Darüber hinaus gibt es verschiedene Stufen von Hate Speech, bei denen es sich jeweils unterschiedlich lohnt, eine Debatte einzugehen.

 

Hate Speech, die zu konkreten Taten aufruft

Hierbei handelt es sich um gefährliche Agitation, die dann auch – nicht selten – in die Tat umgesetzt wird. Eine Debatte ist hier kaum möglich.Beispiel: Tod den Juden!Beispiel: Ausländer raus!

Indirekte Hate Speech

Auf den ersten Blick handelt es sich hierbei nicht um gefährliche Agitation. Denken wir die Aussage jedoch konsequent zu Ende, unterstützt und legitimiert sie bestehende Gewalt. Eine Debatte ist sehr schwer zu führen.Beispiel: Israel muss liquidiert weren.Beispiel: Das Asylrecht gehört abgeschafft

Uninformierte Aussagen

Diese Aussagen basieren auf falschem Wissen. Hier lohnt sich die Debatte und der Versuch, durch Fakten Einfluss zu nehmen.Beispiel: ISIS wird von Israel bezahltBeispiel: Migranten beuten die Sozialsysteme aus

Aneignung beschreibt den Prozess, wo diskriminierende Begriffe von Betroffenen selbst genutzt werden. Auch wenn die benutzen Begriffe in anderen Zusammenhängen als Hate Speech zu klassifizieren sind, bedeutet Aneignung keine Hate Speech, sondern ein Ermächtigungsmoment.

 

Wie umgehen mit dem Hass im Netz?

Dieser Frage widmen wir uns im Schwerpunkt April 2015 auf netz-gegen-nazis.de. Der Schwerpunkt April 2015 zu „Hate Speech“ basiert auf der Broschüre „Geh sterben!“ – Umgang mit Hate Speech und Kommentaren im Internet, die gerade in unserem Partner-Projekt no-nazi.net der Amadeu Antonio Stiftung entstanden ist.

| Mehr zur Broschüre hier| Download (pdf)

 

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| Brandstiftung beginnt im Netz – Neue Handreichung zu Hate Speech im Netz

| „Ich weiß nicht, was Nazis sein sollen, getroffen habe ich noch keinen“- Rechtsextreme Argumentationsmuster im Internet

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