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Wenn Medien wirken Fußballverein „BSC 99“ entlässt rechtsextremen Nachwuchs-Trainer

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?Wie sollen Osteroth und seine Frau erklären, dass in Deutschland im Jahr 2010 ein Junge auf der Straße verprügelt wird, weil er Jude ist?? Diese Frage stellte die ZEIT in einem Dossier im Juni über antisemitische Vorfälle in Laucha (hier auf netz-gegen-nazis.de). Hintergrund war der Übergriff auf einen 17jährigen israelischen Jungen. Dieser wurde von dem 20jährigen Alexander P. an einer Bushaltestelle als ?Judenschwein? beleidigt und zusammengeschlagen. Dank eines vorbeikommenden Autofahrers konnte der 17-Jährige gerettet werden.
Nach dem Überfall beschloss die Familie in Laucha zu bleiben und sich nicht von rechtsextremen Schlägern vertreiben zu lassen.

Wenn ein Rechtsextremer zum Alltag gehört

Der Artikel beschreibt allerdings nicht nur die Tat, sondern legt vielmehr sein Hauptaugenmerk auf die ?heimliche Hauptfigur des Ortes?: Lutz Battke, Schornsteinfeger und Trainer der Fünf- bis Siebenjährigen beim Fußballverein ?BSC 99 Laucha?.

Battke hat zwar direkt mit der Tat nichts zu tun, ist allerdings seit Jahren aufgrund seiner rechtsextremen Gesinnung stadtbekannt. So sitzt er seit 2007 für die NPD im Kreistag des Burgenlandes und ist Vorsitzender der NPD-Fraktion im Stadtrat Laucha. Immer wieder fällt Battke mit rechtsextremen Äußerungen auf. Beim Fußball motiviert er seine Spieler mit Blick auf schwarze Gegenspieler gerne mal mit dem Zuruf ?Hau den Nigger um?. Beim Innenstaatssekretär von Sachsen-Anhalt, Rüdiger Erben, ist der rechtsextreme Trainer vor allem dadurch bekannt geworden, weil seine Spieler ihn mit ?unser Führer? ansprechen, berichtet das ZEIT-Dossier.

Trotzdem ist lange Zeit nichts gegen Battke unternommen worden. Dies ist eine Tendenz, die oft in kleineren Städten beobachtet werden kann. Als Teil der Stadt, der Battke nicht nur in seiner Funktion als Trainer, sondern auch als Schornsteinfeger ist, fällt es den Mitmenschen schwer, ihn zu meiden oder gar aus der Gemeinschaft auszuschließen. Gerade in einer solchen Situation ist es wichtig, die Gemeinden nicht allein zu lassen. Artikel wie das ZEIT-Dossier können über ein Thema informieren und so eine breite mediale Diskussion beginnen. So ist es auch im Fall Laucha geschehen.

Nach dem Zeitungsbericht wird die innerstädtische Diskussion wieder entfacht

Von zwei Seiten wird nun gegen Battke vorgegangen. Zum einen soll ihm durch das Land Sachsen-Anhalt die Kehrlizenz entzogen werden: ?Er hat als Schornsteinfeger vom Staat ein Monopol für seinen Beruf bekommen. Er kann sich überall Zugang verschaffen, kein Bürger kann sagen, ich lasse keinen Rechtsextremisten rein. Das darf nicht sein.?, so der zuständige Landeswirtschaftsminister Reiner Haseloff in der ?Mitteldeutschen Zeitung?.

Zum anderen forderte der Deutsche Olympische Sportbund die Entlassung des rechtsextremen Trainers. Dieser Forderung hat der ?BSC 99 Laucha? nun nachgegeben und sich gestern von Battke getrennt. Zusätzlich diskutiert der Landessportbund über die Änderung der eigenen Satzung. In dieser soll nun festgelegt werden, dass Vereinen, die rechtsextreme Trainer beschäftigen, Fördergelder gestrichen und vielleicht sogar vom Landessportbund ausgeschlossen werden.

Der Fall Laucha zeigt, wie wichtig eine ausführliche Berichtserstattung über das alltägliche Treiben von Rechtsextremen ist. Immer öfter versuchen Neonazis, vor allem junge Leute durch ein nettes Auftreten ?inmitten der Gesellschaft? anzusprechen, also auf Schulhöfen, in Jugendclubs oder eben auch in Sportvereinen. So betont auch Torsten Hahnel vom Verein Miteinander e.V., dass Medien eine entscheidende Rolle dabei spielen, die Zivilgesellschaft für das Thema Rechtsextremismus zu sensibilisieren. Wie auch in Laucha werden Rechtsextreme im Alltag oft toleriert, frei nach dem Motto: Als Trainer kümmert er sich eben um die Kinder und als Schornsteinfeger um die Häuser. „Viele Leute, die sich nicht täglich mit dem Thema beschäftigen, können sich einfach überhaupt nicht vorstellen, welche Gefahr in Deutschland von Rechtsextremen ausgeht“, so Hahnel.

Wichtig aber auch: Weiterarbeit vor Ort

Für Beratungsstellen gegen rechtsextreme Gewalttaten ist die Öffentlichkeitsarbeit und Sensibilisierung der Gesellschaft für das Thema ein wesentlicher Schwerpunkt in ihrer Arbeit. ?Medien vereinfachen unsere eigene Öffentlichkeitsarbeit. Neben eigenen Pressemitteilungen, können wir in Interviews und Artikeln bestimmte Themen weiter vertiefen.?, beschreibt Hahnel die Wechselwirkung zwischen Medien und Beratungsstellen. Berichterstattung wie das ZEIT Dossier habe auch einen eindeutigen Effekt auf Bürger. Besonders die detaillierte Darstellung des Falls Laucha, so Hahnel, hatte einen positiven Effekt auf seine Arbeit. Bürger würden ihn beispielsweise öfter ansprechen und zeigten deutlich mehr Interesse an dem Thema.

Auch wenn Medien einen wichtigen Stellenwert bei der Arbeit gegen Rechtsextremismus haben, darf nicht vergessen werden, dass Opferschutz immer im Vordergrund steht. Oftmals sind die Opfer und die Personen, welche in Artikeln offen über ihre Erfahrungen und Probleme mit Neonazis gesprochen haben, diesen danach ausgeliefert und werden auch bedroht. Rechtsextremen ist ein hohes Gewaltpotenzial eigen, sie scheuen oft nicht davor zurück, Gewalt gegen Anderdenkende auszuüben. Obwohl es wichtig ist, über rechtextreme Übergriffe und Vorfälle zu informieren, muss ein Weg gefunden werden, die Opfer und Interviewpartner zu schützen. Dies geht etwa durch die Anonymisierung der Betroffenen. Vor allem muss aber auch darüber sichergestellt werden, dass lokale Beratungsstellen, die mit den Betroffenen vor Ort weiterarbeiten, wenn die Journalisten weg sind, besser unterstützt und dauerhaft gesichert werden.

Mehr dazu im Netz:
| Das ZEIT-Dossier: Angriff auf Noam

| Miteinander e.V.

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