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Ideologie Was ist eigentlich rechtspopulistisch an der AfD?

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Aber die AfD sagt lieber nicht laut, welche. Denn sonst würden vielleicht zu viele Leute merken, dass ihr Menschenbild recht ungleichwertig ist. (Quelle: ngn)

AfD-Chef Bernd Lucke meinte in einem Brief an die Mitglieder seiner Partei, die AfD dürfe „nicht den Schatten eines Zweifels daran lassen, dass politischer Extremismus, Antisemitismus, Ausländerfeindlichkeit und religiöse Intoleranz mit dem Gedankengut der AfD als demokratischer Rechtsstaatspartei unvereinbar sind.“ Dies fällt einigen AfD-Mitgliedern allerdings offenbar schwerer als erwartet. Dies liegt nicht nur an rechtsextremer Unterwanderung der Partei (Belltower.News berichtete), der die AfD auch Einhalt gebietet, wenn die Fälle denn öffentlich werden. Es liegt auch am verbleibenden Personal, den Parteiinhalten und dem Auftreten von prominenten AfD-Vertreter*innen.

Rechtspopulistische Parteiinhalte der AfD

Nicht alle Inhalte, die die AfD vertritt, sind rechtspopulistisch. Aber diese hier sind es:

1) Antipluralismus

Vielfalt der Menschen und Lebensformen als Bedrohung statt Bereicherung darstellen, Vielfalt ablehnen Anti-Haltung zur Parteien-Demokratie, Vielfalt von politischen Meinungen ablehnen, sich selbst als „Hüterin“ einer politischen „Wahrheit“ darstellen

2) Wohlstandschauvinismus

Einwanderung nach ökonomischen Gesichtspunkten fordern – nur „qualifizierte und integrationswillige“ Zuwanderer_innen sollen kommen dürfenSozialdarwinismus: Der Wert des Menschen wird nach seinem finanziellen Status und seiner „Nützlichkeit“ bemessen. Asyl: Nur „ernsthaft politisch Verfolgte“, keine „ungeordnete Zuwanderung in die Sozialsysteme“ – aber ohne jemals die geforderten „klaren Regeln“ zu erläutertAfD-Mitglieder fordern Klassen-Wahlrecht je nach „Leistung für das System“

3) Antimuslimischer Rassismus

Angst schüren vor einer „Ausbreitung des Islam in Europa“, sogar noch unterstützt durch (ominöse) „Drittstaaten“ – klassische rechtsextreme Ideologiefragmente (AfD-Mitgliederbefragung Bayern). Forderung, Religionskritik soll der Meinungsfreiheit unterliegen – als wäre dies nicht so (AfD-Mitgliederbefragung Bayern) Björn Höcke, Spitzenkandidat der AfD in Thüringen, in der neurechten „Blauen Narzisse“: Der Islam sei ihm „wesensfremd“, er „wünsche nicht, daß Europa ein vom Islam dominierter Kontinent wird“. Alle islamischen Länder treten Menschenrechte mit Füßen (Hans-Olaf Henkel auf dem Europaparteitag der AfD, März 2014, Audio bei tagesschau.de). „Wenn er [der Satz „Der Islam gehört zu Deutschland] als eine implizite Bejahung des Islams in Deutschland gemeint ist, ist er falsch und töricht“ (Bernd Lucke in einem AfD-Mitglieder-Rundschreiben, HP). Wer muslimischen Glaubens ist, steht bei AfD-Anhänger*innen per se unter dem Verdacht des Extremismus, muss Abstriche in seiner Religionsfreiheit hinnehmen und seinen Integrationswillen beweisen (klassischer antimuslimischer Rassismus). Kulturrassistsch-identitäre Argumentationen: etwa: „Andere Parteien wollen Zuwanderung nur, damit die Deutschen in einem großen europäischen Brei aufgehen.“ (Armin Paul Hampel, AfD-Chef in Niedersachsen, auf dem Europaparteitag der AfD, März 2014, Audio bei tagesschau.de, oder „Nach Auffassung der AfD endet Europa am Bosporus. Mit der Aufnahme der Türkei verlöre Europa seine abendländische Identität.“ (Alexander Gauland, Landesvorsitzender der AfD Brandenburg, zum möglichen EU-Beitritt der Türkei, Sept. 2013, z.B. Welt)

4) Homophobie

Christlich-konservatives Familienbild statt alternative Lebensweisen, Ehe als Teil des Wertekanons, Wettern gegen eine imaginierte „Schwulen-Lobby“: Homosexualität wird nicht als alternative Lebensform, sondern als aggressiver als Angriff auf die zweigeschlechtliche Ehe präsentiert. Forderung: Keine Gleichbehandlung von gleichgeschlechtlichen Partnerschaften. Wer also nicht nach dem Prinzip der traditionell-konservativen Familie lebt und liebt, soll wieder finanziell und rechtlich benachteiligt werden.

5) Rassismus

Forderung nach „geordneter Zuwanderung“, als gäbe es die bisher nichtAntiziganismus gegen Sinti und Roma, die etwa Bernd Lucke als „nicht gut integrationsfähig“ beschreibt Holger Arppe (AfD MV) ruft im Internet zu Gewalt gegen Araber und Muslime auf (ZEIT). Imaginieren eines Szenarios, in dem man sich „fremd im eigenen Land“ fühle. Bernd Lucke nennt Zuwanderer mit geringer Bildung als „Sozialen Bodensatz“ (2013). Wer Migrant oder Migrantin ist, steht unter Generalverdacht, besonders des „Sozialmissbrauchs“ (Rassismus) („Einwanderung braucht strikte Regeln“ „Einwanderung ja. Aber nicht in unsere Sozialsysteme“, „Wer einwandert, darf uns nicht hassen“, Wahlkampfplakate 2013).

6) Anti-Haltung

gegen den Euro und gegen die EU (und für Renationalisierung), gegen etablierte Parteiengegen eine vielfältige und tolerante Gesellschaft (und damit gegen Gleichwertigkeit und universale Menschenrechte), gegen „Political Correctness“ (für Meinungsfreiheit heißt hier: Für Rassismus, Volksverhetzung, Diskriminierung), gegen repräsentative Demokratie (für Volksentscheide), gegen Gender Mainstreaming (Abschaffung der Ungleichwertigkeit zwischen Männern und Frauen). Reaktionäre Politik, die vorgibt, man könne das „Rad zurückdrehen“. Spiel mit Ängsten und Enttäuschungen der Menschen.

7) Antidemokratische Forderungen

Die AfD versteht sich als Alternative im System, nicht als Alternative zum System – sie will also nicht die parlamentarische Demokratie abschaffen.Trotzdem rütteln viele Forderungen der AfD rütteln an Demokratie, Wahlrecht und Antidiskriminierungsrichtlinien. Heißt: Die Mitglieder sprechen sich gegen den demokratischen Grundsatz der Gleichheit und Gleichwertigkeit aus und für die Diskriminierung und Ausgrenzung von Minderheiten und armen Menschen aus. Einige ihrer Law-and-Order-Forderungen massiv in die Grundrechte der Menschen in Deutschland ein, besonders in die von Flüchtlingen und Straftätern. Angesichts einer durch eine Leak ans Licht gekommenen „Ideensammlung“ unter Mitgliedern der Sächsischen AfD stellte der Verein „Leipziger Strafverfolger e.V.“ aus juristischer Sicht fest: Die Forderungen „in den Positionspapieren stellen einen massiven Angriff auf den Rechtsstaat und die grundgesetzlich garantierten Rechte jedes Bürgers dar. Sie stehen im eklatanten Widerspruch zu den Grundprinzipien des deutschen Strafrechts, denn sie verlangen im Ergebnis eine Abkehr von der grundgesetzlich verbrieften Unschuldsvermutung sowie dem im deutschen Strafrecht vorherrschenden Schuld­prin­zip.“ (l-iz).

Rechtspopulistisches Auftreten von AfD-Personal

Autoritärer Führungsstil innerhalb der AfD (HP) Kampfrhetorik: Wer AfD-Mitgliedern zuhört, muss sich in einer permanenten feindseligen Auseinandersetzung mit der Welt wähnen. Da ist von Scharmützeln und Schlachten die Rede, von „Feinden“, gegen die es zu „kämpfen“ gilt. NS-Rhetorik: Bodensatz (s.o.), „Entartungen von Demokratie und Parlamentarismus“ (stern) – bisweilen nutzt AfD-Chef Lucke NS-Vokabular (weitere problematische Thesen hier).

Mitglieder rechtspopulistischer Vereinigungen in der AfD (Auswahl)

1) Identitäre Bewegung:

Ein Mitglied der AfD Leipzig, Felix K., ist ein führender Vertreter der neurechten „Identitären Bewegung“ in Sachsen (Anonymous Austria)

2) Bund freier Bürger (rechtspopulistisch, FPÖ-nah):

Joachim Starbatty, sitzt aktuell für die AfD im EuropaparlamentStefan Königer, heute für die AfD im Brandeburger Landtag (BILD)

3) Bündnis für Freiheit und Demokratie (fordert u.a. ein Deutsches Reich in den Grenzen von 1937)

Detlev Spangenberg, gewählt in den Sächsischen Landtag, wäre dort sogar Alterspräsident geworden, trat aber nach der Berichterstattung über seine Vergangenheit von der Aufgabe zurück

4) Pro Sachsen

auch Detlev Spangenberg

5) Die Freiheit (islamfeindlich)

Rainer van Raemdonck (Ex-Landesvize der „Freiheit“ in Brandenburg, heute für die AfD im Brandenburger Landtag)Thomas Jung (Ex-Landeschef der „Freiheit“ in Brandenburg, heute für die AfD im Brandenburger Landtag)Julien Wiesemann, war stellvertretender Landesvorsitzender von „Die Freiheit Sachsen“, heute AfD-Parteisprecher in Sachsen (PM Grüne)

6) Republikaner

Andreas Galau, heute für die AfD im Brandenburger LandtagUlrich Wlecke, heute für AfD NRW auf Platz 4 der AfD-Bundestagsliste, sowie zwei weitere AfD-Mitglieder in Essen (RP)Andreas Kalbitz, Landtagsabgeordneter Brandenburg (bnr)

7) Schill-Partei „Rechtsstaatliche Offensive“

Dirk Nockemann, früher Hamburger Innensenator für die Schill-Partei, heute Listenplatz 3 bei de Hamburger AfDPeter Lorkowski, heute Listenplatz 7 bei der Hamburger AfDKarina Weber heute Listenplatz 22 bei der Hamburger AfD4 Mitglieder des bisherigen AfD Hamburg-Landesvorstandes treten deshalb von ihren Posten zurück, weil sie „zu viel Schill“ in der AfD Hamburg sehen

Kontakte ins neurechte Spektrum

Björn Höcke, Landesvorsitzender der AfD in Thüringen, hält seine Kontakte ins neurechte Spektrum, den „intellektuellen“ Ableger des Rechtspopulismus, nicht hinterm Berg: Er gab in diesem Jahr bereits dem „Zuerst“-Magazin ein Interview, dann der „Blauen Narzisse“ und nun der „Sezession“. Deren Herausgeber Götz Kubitschek schreibt in der Einleitun zum Interview, er sei mit Höcke aus „unserer langjährigen Verlagsarbeit, im Wandervogel, beim Militär oder auf einer der mittlerweile zahllosen Veranstaltungen des Instituts für Staatspolitik (IfS)“ bekannt (bnr).

Rechtspopulistische Kontakte in Europa

Im Frühjahr 2014 lädt die „Junge Alternative“  in NRW zu einer Veranstaltung in Köln Nigel Farage ein, den Anführer der rechtspopulistischen UKIP. In der Folge hatte die AfD-Spitze versucht, an der JA vorbei eine eigene Nachwuchsorganisation aufzubauen – allerdings ohne erkennbaren Erfolg (bnr).Im Oktober 2014 lädt die „Junge Alternative“ in NRW einen Politiker der rechtspopulistischen Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu einer Veranstaltung eingeladen. Nationalratsmitglied Lukas Reimann (32) soll am 15. November beim „Zweiten Europapolitischen Forum“ der nordrhein-westfälischen „Jung-Alternativen“ in Düsseldorf sprechen. Reimann gehörte 2007 zu den Wortführern der Volksinitiative „Gegen den Bau von Minaretten“, die schließlich zum Verbot von Minaretten in der Schweiz führte. Wenige Tage zuvor hatte sich AfD-Chef Bernd Lucke von der SVP distanziert (bnr).

Fazit

Argumentiert die AfD rassistisch, schürt sie Vorurteile gegen Minderheiten? Vertritt sie gar demokratiefeindliche Thesen? Wettert sie gegen vermeintliche Probleme, ohne Lösungen anzubieten?

Ja. Ja. Ja.

Sie ist durch ihre politischen Ziele und Thesen eine rechtspopulistische Partei mit diversen Anschlussstellen für die islamfeindliche, neu-rechte und rechtsextreme Szene.

Und sie ist in der Lage, dies ausgesprochen geschickt zu verschleiern: Durch einige vermeintlich seriöse und integere Akteure, durch die ständige Behauptung, nicht rechts oder links, sondern im Parteienspektrum unabhängig zu agieren, durch Kniffe wie kulturellem statt biologischem Rassismus, durch das Appelieren an Etabliertenvorrechte und Existenzängste, durch das Schüren einer steigenden Skepsis gegen „die da oben“ in der Parteiendemokratie.

Interessant bleibt nun die Frage, wie politische Akteur_innen und Medien sinnvoll damit umgehen können, dass diese Thesen offenbar für viele Menschen aus sämtlichen politischen Spektren attraktiv genug sind, um bei der AfD ein Kreuz auf dem Wahlzettel zu machen.

Mehr auf Belltower.News:

Artikel vom 16.10.2014

Ergänzung: Problematische Aktivitäten von AfD-Mitgliedern (fortlaufend aktualisiert)

Mitte Mai: Ein Mann besprüht am AfD-Informationsstand zwei Männer mit Pfefferspray und verletzt sie. Er ist angeklagt wegen gefährlicher Körperverletzung. Später stellt sich heraus: dieses AfD-Mitglied ist Kriminaldirektor und lehrt an der Polizeihochschule Güstrow. Angeklagt ist er wegen gefährlicher Körperverletzung. Ein Disziplinarverfahren gegen den Polizisten ist eingeleitet, läuft aber noch. Bis dahin bildet er weitere junge Polizsten aus (SVZndr.denordkurier.de).Treffen der Parteispitze 08./09.11.2014: Zwei Flügel streiten über die künftige Ausrichtung der AfD: Ein wirschaftliberaler und eine nationalkonservativer. Am Ende gewinnen die nationalkonservativen Positionen, wie des „Strategiepapier“ nach diesem Wochenende zeigt: Per Abstimmung legten die Anwesenden neun Themen fest, mit denen sich die AfD in den nächsten Jahren profilieren will: Islamismus, Asylrecht, innere Sicherheit, das Freihandelsabkommen zwischen EU und USA, die Bankenunion, Demokratie in Deutschland, die deutsche Außenpolitik gegenüber der Ukraine sowie Familie und Rente. Dabei überwiegen nicht nur die nationalkonservativen Signale klar gegenüber den Wirtschaftsthemen, auch inhaltlich setzt der Vorstand rechte Akzente. So fordert die AfD mehr Härte im Umgang mit Islamist_innen in Deutschland. „Die AfD ist nicht bereit, länger zu tolerieren, wie in Deutschland in Teilen der islamischen Gesellschaft das Grundgesetz und das Rechtssystem missachtet wird“, heißt es in dem Strategiepapier. (fr-online.de)10.11.2014: Nach Informationen des Nachrichtenmagazins Spiegel tritt der Europaparlamentarier und AfD-Chef Bernd Lucke am Mittwoch in Brüssel als Redner auf einer Veranstaltung zum Thema „25 Jahre Fall des Eisernen Vorhangs“ auf – als Gast des Anti-Europäers Nigel Farage. Im Europawahlkampf hatte Lucke noch auf Distanz zu dem Briten geachtet, dessen Partei Ukip eine Auflösung der Europäischen Union (EU) fordert (taz).10.11.2014: Auf dem Hamburger Landesparteitag hat ein AfD-Mitglied die brutalen „Hooligan gegen Salafisten“-Demonstrationen  als „friedlich“ verteidigt. Seinen Landesvorsitzenden nannte er „amoklaufenden Parteichef“, weil der gegen Hooligan-Sympathisanten in der AfD vorgehen wollte. Der in der Alternative für Deutschland (AfD) schwelende Streit um die Hooligan-Demonstration in Köln ist auf dem Landesparteitag in Hamburg eskaliert. Im Kern ging es um die Sympathiebekundungen von Parteimitgliedern für die Kundgebung „Hooligans gegen Salafisten“ Ende Oktober in der Domstadt (focus.de). Bernd Lucke, Parteisprecher und -vorstand der Alternative für Deutschland (AfD), kündigt Ausschlussverfahren gegen Parteimitglieder an, die mit gewalttätigen Demonstranten und Hooligans sympathisieren. (NOZ).

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2017-09-05_152358berndhöcke

„Die Partei“ deckt auf, dass die AfD ihren Hass mit Social Bots verbreitet

Das Internet lacht über die Aktion von „Die Partei“: Sie hat die die Kontrolle über 31 AfD-Facebook-Seiten übernommen und ihnen einen neuen Anstrich verliehen. Interessant dabei: Offenbar greifen AfD-nahe Kreise im Wahlkampf entgegen anderslautender Beteuerungen doch auf Social Bots zurück, um ihre Hetz-Botschaften zu verbreiten.

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