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„Nationaler Antikriegstag“ Was haben Nazis gegen Krieg?

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Warum marschieren Nazis zum Antikriegstag?

Seit 1957 wird der 1.September als Antikriegstag von antimilitaristischen Gruppen und Gewerkschaften in der Bundesrepublik begangen und diente als mahnende Erinnerung an den deutschen Überfall auf Polen am 1. September 1939 und den damit beginnenden zweiten Weltkrieg. Die Rechtsextremisten missbrauchen diesen Tag jedoch seit Jahren für ihre Zwecke und versuchen, auf Großveranstaltungen für ihr Anliegen zu werben. Bereits seit sieben Jahren ziehen Neonazis mit Losungen wie ?Nie wieder Krieg!? durch Dortmunds Straßen. Sie fügten hinzu: ?Nach unserem Sieg!? ? also dem Sieg des ?Nationalen Sozialismus?.

So wird schnell deutlich, dass es sich bei der Demonstration nicht um eine friedfertige Aktion handelt, wie von den Neonazis behauptet, sondern um eine Veranstaltung, auf der sie ihren Geschichtsrevisionismus propagieren können. Die Rechtsextremen demonstrieren unter anderm, um abzustreiten, dass der Überfall auf Polen Auslöser des 2. Weltkrieges war. Überdies agieren sie mit klarem Feinbild. Wenn Sie sich gegen Krieg, Kapitalismus und Globalisierung aussprechen, meinen sie damit Antiamerikanismus und Antisemitismus. Sie machen Stimmung gegen eine angebliche ?Kriegstreiberei der USA?, die von ?jüdischen Finanzinteressen? gesteuert werde, und wollen ?USraelischen? Weltmachtansinnen und ?hysterisch betriebenem Schuldkultur? in Deutschland entgegenzutreten.

Im Aufruf zum „6. Nationalen Antikriegstag“ im Jahr 2010 (der 2011 kaum verändert wurde) klingt das so: „Es herrscht Krieg. Ein Krieg gegen alle Völker, an jedem Tag, auf allen Ebenen und mit allen Mitteln. Diese erschütternde Feststellung ist die Grunderkenntnis, die uns junge deutsche Nationalisten bewegt und unser Handeln rechtfertigt.“ Gemeint sind, so schreiben die „Nationalen Sozialisten, bundesweite Aktion“, weiter: Kriege, die „durch Lügen von Demokratisierung und Befreiung gerechtfertigt“, in Wahrheit aber eine „Zerstörung der souveränen Volksstaaten unter das Joch der westlichen Verwertungsmaschine“ bedeuteten. Klar, wem das dient: „dem Interesse einer geldhungrigen international agierenden und auserwählten Minderheit“. Wen noch wundert, dass sich Rechtsextreme für Menschen aus anderen Ländern engagieren: Das Konzept des „Ethnopluralismus“ ist die moderne Version von „Ausländer raus“: „Völker“ sollen in ihrem „Lebensraum“ glücklich werden – so lange sie nicht versuchen, ihn zu verlassen.

Dortmund: Hochburg der ?Autonomen Nationalisten?

Dass Neonazis seit Jahren Dortmund als Aufmarschort für den ?Nationalen Antikriegstag? nutzen, ist es kein Zufall. Die rund 580.000 Einwohner-Stadt in Nordrhein-Westfalen ist eine Hochburg der ?Autonomen Nationalisten?, also von gewaltbereiten, aktionsorientierten jungen Rechtsextremen, die sich äußerlich an den Autonomen der linken Szene orientieren, inhaltlich aber strikte Neonazis sind. Entsprechend haben sich in den vergangenen Jahren rassistisch motivierte Übergriffe gegen MigrantInnen, linke Jugendliche, alternative Buchläden und Zentralen, Parteibüros und Privatwohnungen von Menschen gehäuft, die sich gegen Rechtsextreme geäußert haben. Am 1. Mai 2009 griffen Neonazis brutal die 1. Mai-Demo des DGB an. Nach Angaben der Mediengruppe WAZ gab es fünf verletzte Polizisten und 280 Rechte wurden in Gewahrsam genommen. Besonders im Stadtteil Dorstfeld versuchen ?Autonome Nationalisten?, nicht-rechte Anwohner mit Gewalt und Psychoterror zu vertreiben, um dort eine ?national befreite Zone? zu etablieren.

Gegenstrategien zur ?Antikriegsdemo?: Blockaden und Kundgebungen

Dieser Entwicklung möchten Bürgerinitiativen und Antifagruppen entgegentreten. Dafür setzen die Veranstalter der Gegendemonstration auch in Dortmund auf das zuvor mehrfach erprobte Konzept des gemeinsamen Blockierens.

Zu den Veranstaltern der Gegenaktionen in Dortmund gehört unter anderem das Bündnis ?Dortmund stellt sich quer?, das seit 2009 besteht und bereits bei den Aufmärschen in den letzten Jahren viele Menschen für die Gegendemonstration mobilisieren konnte. Nach Ansicht des Bündnisses tragen auch Polizei und Politik eine Teilverantwortung für das Erstarken der Neonazis in Dortmund. Seit Jahren werde das Problem verharmlost, obwohl seit dem Jahr 2000 vier Morde von Neonazis in der Stadt verübt worden sind, heißt es in einer Mitteilung des Dortmunder Bündnisses 2010.

Polizeitaktik und politischer Wille

Im Jahr 2010 versuchte der Dortmunder Polizeipräsident Hans Schulze noch, den Aufmarsch der „Autonomen Nationalisten“ zu verbieten. Zur Begründung verwies der Polizeichef auf die am 01. September 2010 erfolgte Festnahme eines Neonazis, der Sprengsätze hergestellt hatte ? zunächst für die 1. Mai-Demonstration in Berlin 2010, wo er sie aber nicht zündete. Es bestehe aber das große Risiko, dass er seine Splitterbomben an ?Kameraden? übergeben oder sie in Dortmund deponiert habe, erklärte Schulze. Der 19-jährigen Sprengsatzbauer ist ein führendes Mitglied der ?Kameradschaft Aachener Land?, das auch gute Kontakte zu Rechtsextremen in Dortmund pflegte. Vor dem Verwaltungsgericht kam die Polizei wie 2009 damit durch, vor dem Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe bekamen die Nazis 2009 und 2010, da die Gefährdungslage nicht begründet genug gewesen sei. Im Jahr 2010 marschierten 1.000 Neonazis durch Dortmund. 15.000 Demokratinnen und Demokraten stellten sich ihnen friedlich entgegen. Das Bündnis „Dortmund stellt sich quer“ blockierte die zentralen Gleise des Dortmunder Hauptbahnhofs, um die Anreise der Rechtsradikalen zu erschweren. 500 Rechtsextreme versuchten, in einem anderen Stadtteil aus dem Zug zu steigen und autark durch die Stadt zu marschieren, wurden aber von der Polizei aufgehalten.

2011 fährt der Polizeipräsident Hans Schulze deshalb eine andere Taktik: „Wir werden jede Versammlung schützen“ ist nun sein Motto – der Naziaufmarsch soll von der Polizei ermöglicht werden, wie es ihre Aufgabe sei. Die Politik sieht das anders: „Als Demokratinnen und Demokraten sehen wir uns in der Pflicht, dies entschlossen zu verhindern“, heißt es in einem Aufruf. Mitunterzeichnet haben den, wie bereits im vergangenen Jahr, Dortmunds Oberbürgermeister Ullrich Sierau, Nordrhrein-Westfalens Arbeitsminister Guntram Schneider (beide SPD) und die in Dortmund stammende ehemalige grüne Landesvorsitzende Daniela Schneckenburger.

Gegenaktivitäten:

Die beiden großen Bündnisse, die Gegenaktivitäten organisieren sind

| Dortmund stellt sich quer

und

| Dortmund Nazifrei – Bündnis demokratisches Dortmund

Beide haben auf Ihren Internetseiten aktuelle Informationen, Karten und Ticker.

Mehr im Internet:

| Twitter-Ticker von „Dortmund stellt sich quer“

| Twitter-Ticker von „Dortmund nazifrei“

Hintergrundartikel auf netz-gegen-nazis.de:

| Neonazis und ihr ?Nationaler Antikriegstag? am 5. September 2009

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„Drei Steine“ Ein autobiografischer Comic über Neonazi-Gewalt in Dortmund

Ein Junge, der in den 1980er Jahren an einer Schule in Dortmund rechte Hetze erlebt und den Rechtsextremen Paroli bietet, wird geschlagen, drangsaliert und sogar fast getötet – ohne das es Hilfe gibt. Heute ist Nils Oskamp erwachsen und hat seine Erfahrungen in dem Comic „Drei Steine“ verarbeitet. Seine Peiniger sind mittlerweile rechtsextreme Szene-Größen.

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