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Saarland 2014 Heimat des neuen NPD-Bundesvorsitzenden mit Hooligan-Nazi-Rocker-Mischmilieu

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Der Posterboy des deutschen Rechtsextremismus, Frank Franz, ist ein Internetprofi aus dem Saarland - und seit 2014 NPD-Bundesvorsitzender. (Quelle: Screenshot Facebook)

Der hohe Anteil an NPD-Mitgliedern auf der relativ erfolglosen SaGeSa-Demonstration und die Teilnahme der mittlerweile bekannten NPD-Funktionäre Süßdorf und Wagner an der HoGeSa-Demonstration in Köln zeigen die Verschränkung der rechtsextremen Partei mit dem Hooligan-Milieu und Gruppierungen wie der „Sturmdivision Saar“. Diese personellen Überschneidungen sind im Jahr 2014 klar erkennbar.

Frank Franz und die NPD

Seit November 2014 kommt der neue NPD-Bundesvorsitzende aus dem Saarland: Der auf dem Parteitag neugewählte Vorsitzende der rechtsextremen Partei NPD, Frank Franz, ist gebürtig aus Völklingen. Er war von 2005 bis 2012 bereits NPD-Landesvorsitzender im Saarland. Der ehemalige NPD-Bundespressesprecher und Kommunikationsprofi ist seit dem Parteitag der NPD im November 2014 in Baden-Würtemberg Nachfolger Udo Pastörs‘ als Bundesvorsitzender der NPD. Er ist Inhaber einer Internetagentur namens „Naweko“, arbeitete als Grafiker und Programmierer. Franz ist für die zahlreichen professionellen Internet- und Social-Media-Aktivitäten der NPD verantwortlich. Als Parteivorsitzender blieb der verheiratete Vater von drei Kindern bisher farblos.

Die „Saarbrücker Peniskuchenaffäre“

Franz gilt parteiintern als umstritten, da er sowohl als Teil der Clique des ausgestiegenen NPD-Chefs Holger Apfel sowie  als Ziehsohn des ebenfalls aus dem Saarland stammenden Multifunktionärs Peter Marx gilt, der dieses Jahr einiges an Aufmerksamkeit auf sich zog. Am 06.04.2014 trat Marx von seinem Amt als Generalsekretär der Partei zurück, weil Fotos einer Party aufgetaucht waren, die Peter Marx, zwei Frauen mit Wunderkerzen, die ehemalige Pornodarstellerin Ina Groll sowie einen Kuchen in Penisform zeigen. Die Aufnahmen der „Peniskuchenaffäre“ stammen aus Saarbrücken. Dieser skandalöse Auftritt hielt Marx trotzdem nicht davon ab, erfolglos für den Bundesvorsitz der Partei gegen Franz zu kandidieren.

Lokalitäten

Das Lokal „City Train“, in dem die Bilder der „Peniskuchenaffäre“ entstanden, gehört der Vorsitzenden des NPD-Ortverbands Saarbrücken-Burbach, Jacqueline Süßdorf. Ihr Dekolleté ist übrigens seit diesem Jahr auf NPD-Stickern zu sehen. „Jacky“ ist nicht nur in der Gastronomie, sondern auch auf Facebook sehr aktiv und verbreitet zahlreiche rassistische Kommentare und Beiträge. Sie ist bei ihren Anhänger_innen so beliebt, dass sie mittlerweile ein zweites Profil in dem sozialen Netzwerk braucht, denn die Maximalzahl von 5.000 Freund_innen ist erreicht. Das Lokal „City Train“ ist ein bekannter Treffpunkt der rechtsextremen Szene.  Die Betreiberin Jacky Süßdorf  plante für September 2014 ein weiteres Lokal auf einem Schiff auf der Saar („Piraterie“) in der Saarbrückener Innenstadt, zog diese Pläne jedoch aufgrund des behördlichen Drucks auf den Schiffseigner und die Verzögerung des Bauvorhabens wieder zurück.

Die Fotos der Abschiedsparty des „City Train“ vom 29.08.2014 – den Pachtvertrag kündigte die NPD-Frau von sich aus – zeigen offensichtliche Neonazis mit Reichsadler-T-Shirts sowie Hakenkreuz-Tattoos und Hells Angels-Supporter Arm in Arm. Auf den Fotos auch immer wieder Jacqueline Süßdorf.

Leider eröffnete sie zwei neue Lokalitäten, in denen die Szene-Treffs von Neonazis und Rockern weiterhin ungehindert stattfinden können. Am 29.11.2014 öffneten das „Jacky’s“ im Saarbrückener Stadtteil Güdingen, sowie ein gleichnamiges Lokal in Burbach.

Der Bundesparteitag der NPD sollte ursprünglich in der Festhalle Schafbrücke in Saarbrücken stattfinden. Nach Protesten und dem Öffentlich machen der NPD-Pläne, kündigte die Stadt Saarbrücken der Partei den bereits geschlossen Mietvertrag. Darauf verzichteten die Rechtsextremen auf eine Klage und starteten Versuche für einen Parteitag 2014 in Thüringen.

SaGeSa

Die antimuslimische und rassistische Hetze der HoGeSa fand auch im Saarland Anklang. Nachdem die Demonstration in Köln im Oktober dieses Jahres eskalierte und etwa 3000-5000 Menschen an ihr teilnahmen, bildeten sich zahlreiche Ableger desselben Konzepts in verschiedenen Bundesländern, so auch im Saarland. Saarländer gegen Salafisten (SaGeSa) im November war keine offizielle HoGeSa-Veranstaltung. Die HoGeSa distanzierten sich sogar auf ihrer Website von den SaGeSa und bezeichneten den Großteil der Demonstrierenden als NPD-Funktionäre und parteinah. Sie (HoGeSa) würden sich von keiner Partei instrumentalisieren lassen und unpolitisch bleiben. Möglicherweise war die SaGeSa-Versammlung am 22.11.2014 in Völklingen deshalb so erfolglos. Nur 250 Teilnehmer_innen standen rund 300 Gegendemonstrant_innen gegenüber. Zahlreiche Teilnehmende der SaGeSa-Demonstration, zum Beispiel die Hooligans der „Berserker Pforzheim“, verließen die Veranstaltung verfrüht: Die Versammlung wurde – soweit bekannt- von dem Ex-Hooligan und NPD-Parteifunktionär Sascha Wagner angemeldet, so dass viele Teilnehmer_innen aus dem Hooligan-Spektrum während der Demonstration gingen, weil sie vorher nicht realisiert hätten, dass die SaGeSa-Demo eine „NPD-Veranstaltung“ sei. Wagner stand im Januar dieses Jahres wegen vierfacher Körperverletzung vor Gericht. Er soll seine 15- und 17-Jährigen Stieftöchter beschimpft, geschlagen, getreten und gewürgt haben. Das ältere der beiden Mädchen hatte mit 14 Jahren ein Kind von einem 32-jährigen NPD-Sympathisanten und –Wahlhelfer bekommen, der daraufhin wegen sexuellem Missbrauch zu 32 Monaten Haft verurteilt wurde.

Burbacher Bürgerinitiative gegen Straßenprostitution

Ein Beispiel für die Vereinnahmung anderer, neuer Thematiken durch die Rechten bildet die „Burbacher Bürgerinitiative gegen Straßenprostitution“. Sie betrieb massive Hetze gegen Prostituierte in Saarbrücken. Ziel dieser Stimmungsmache waren nicht-deutsche Prostituierte sowie ein Politiker der Linken, der mehr Schutz für Sexarbeiterinnen einforderte. Hinter der Kampagne stecken NPD-Mitglieder und Neonazis. Die Antifa Saar deckte auf, dass bei der Bürgerini-Versammlung vor der Stadtratssitzung am 13.05.2014 im Rahmen der Kampagne hauptsächlich stadtbekannte Neonazis aus Saarbrücken und Umgebung teilnahmen. Die Schilder, die sie für ihre Protestaktion benutzten, waren auf der Rückseite von NPD-Wahlplakaten gemalt. Auf ihrer Website schreibt die NPD Saar zur Bürgerinitiative: „Die NPD-Vertreter und die Aktivisten der Bürgerinitiative waren sich einig, dass Saarbrücken nicht zum Puff von Frankreich verkommen darf, die etablierten Parteien dieses Problem aber vollständig ignorieren.“

Montagsdemos

Auch Montagsdemonstrationen, die wegen der Teilnahme sogenannter „Reichsbürger_innen“, Verschwörungstheoretiker_innen, rechtsoffener oder antisemitischer Menschen umstritten sind, finden in Saarbrücken monatelang jeden 1.Montag des Monats statt. Passenderweise treffen sich die Teilnehmenden dafür in der „Reichsstraße“ vor der „Europa-Galerie“.

Gerichtsverfahren gegen „Volksfunk“

Für Aufsehen sorgte im März dieses Jahres die Gerichtsverhandlung (13.03.2014) vor dem Schöffengericht Neunkirchen/ Saar gegen den Neonazi Christian Bender aus Bexbach/ Saar. Unter seinem Pseudonym „Volksfunk“ hatte der Angeklagte im März 2013 Videos veröffentlicht, in denen der Holocaust verleugnet wird sowie zur Befreiung von Horst Mahler und zu bewaffneten (Terror-) Anschlägen aufgerufen wird. Außerdem zeigen Videos Kommentare Benders zum Bau von Splitterbomben und Steckbriefe von linken Aktivist_innen mit Name, Anschrift und Fotografien. Bei einer Hausdurchsuchung wurden bei ihm mehr als 200 g Schwarzpulver sowie zwei Butterfly-Messer gefunden. Er wurde wegen Volksverhetzung, der Verwendung verfassungsfeindlicher Kennzeichen, Aufruf zur Gefangenenbefreiung und dem Verstoß gegen das Sprengstoff- und Waffengesetz  zu nur 14 Monaten auf Bewährung und 100 Sozialstunden verurteilt.

Bender räumte in der Verhandlung alle Vorwürfe ein und behauptete, sich von seinem rechtsextremen, politischen Weltbild distanziert zu haben. Die Begründung des Gerichts für das milde Urteil war, Bender sei ein Einzeltäter, sein Ziel keine Straftaten, sondern Anerkennung und Aufmerksamkeit. Er produziert zwar immer noch Videos, heutzutage jedoch über die Lösung mathematischer und naturwissenschaftlicher Probleme.

„Trauermärsche“

Der „Trauermarsch“ zum „Gedenken an die Bombardierung von Wehrden am 11.05.1944“ am 10.05.2014 blieb ohne Zwischenfälle. Die „Sturmdivision Saar“ hatte zu der Veranstaltung aufgerufen. Anstatt der angemeldeteten 50 Teilnehmer_innen kamen nur 25 zusammen. 150 Gegendemonstrant_innen standen den Neonazis gegenüber. Die rechte Demonstration kann wohl als herbe Enttäuschung für die Szene eingeordnet werden. Die „Sturmdivision Saar“ trat das erste Mal am 1.Mai 2011 in Erscheinung, als Demonstrationsteilnehmer_innen des Naziaufmarsches in Heilbronn in T-Shirts mit der Aufschrift „Sturmdivision Saar“ gesehen wurden. Ihren Schwerpunkt hat die Gruppierung im saarländischen Dillingen. Einige Mitglieder dieser Gruppierung wurden durch Antifa-Recherchen auch bei der HoGeSa-Demonstration in Köln identifiziert. Andere saarländische Teilnehmer von HoGeSa in Köln gehören der NPD sowie der „Saarland Brigade“ an, einer Hooligan-Gruppierung, deren Mitglieder sehr häufig als rechtsradikal oder rechtsoffen einzuordnen sind.

Hetze gegen Flüchtlinge und Kommunalwahlen

Die NPD Saar veranstaltete vor allem zum Jahresende mehrere Mahnwachen „gegen Asylbetrug“ und hetzt auf ihrer Internetseite massiv gegen Flüchtlinge als „Eindringlinge“, die hier niemand haben wolle. Die NPD versucht außerdem, nicht-rechte bürgerliche Interessen für den Gewinn von Sympathien in der Bevölkerung zu nutzen. So nahm NPD-Stadtrat Peter Marx an einem Diskussionsabend für die Rechte der Hebammen teil und solidarisierte sich mit ihren Forderungen. Außerdem fordert die saarländische NPD auf ihrer Internetseite verstärkten Tierschutz, das Stoppen von Tierversuchen und härtere Bestrafung von Tierquälerei. Anlässlich der Kommunalwahlen fanden viele Flyer- und Infostand-Aktionen statt. Die NPD erhielt landesweit 0,5 Prozent der Stimmen (2009: 0,6 Prozent). In den Kreistag von Saarbrücken ist die NPD mit 2,1 Prozent gewählt worden (1 Sitz).

Zusammenfassung

Die NPD gibt sich große Mühe, sich als verständnisvoller Zuhörer und Kümmerer für die Bevölkerung zu inszenieren. Die Themen, durch die die Partei Solidarität und „Herz“ zeigen kann, sind dabei sehr verschieden. Vor allem aber vereinnahmt die NPD zur Sympathiegewinnung die Flüchtlingsthematik und veranstaltete mehrere Mahnwachen gegen „Asylbetrug“.

Der hohe Anteil an NPD-Mitgliedern auf der relativ unerfolgreichen SaGeSa-Demonstration und die Teilnahme der bekannten NPD-Funktionäre Süßdorf und Wagner an der HoGeSa-Demonstration in Köln zeigt die Verschränkung der rechtsextremen Partei mit dem Hooligan-Milieu und Gruppierungen, wie der „Sturmdivision Saar“.

Auch, dass Jacqueline Süßdorf dieses Jahr Vorsitzende des NPD-Ortverbands Saarbrücken-Burbach wurde und zwei neue Lokale eröffnete, in denen sich mit großer Wahrscheinlichkeit wie bisher Menschen aus der Neonazi-Szene, der NPD oder auch Rocker wie in einer Art rechtem Freiraum begegnen können, zeigt die Vermischung der verschiedenen Milieus. Die „Saarbrücker Peniskuchenaffäre“ um Peter Marx und die Bilder der Abschiedsfeier des „City Train“ sind Sinnbild dieser Durchmischung.

Prognose 2015

Themen rund um Flüchtlinge und Flüchtlingsunterkünfte werden 2015 wie in allen Bundesländern weiter auf der Tagesordnung der Rechten sein. Ob Bürgerinitiativen, inoffizielle Gruppierungen oder rechtsextreme und –populistische Parteien, Wutbürger_innen bieten ein hervorragendes Ziel der Nazis, um Stimmungsmache zu betreiben und sich durch ihre rassistischen und diskriminierenden Forderungen bei der xenophob eingestellten Bevölkerung beliebt zu machen. Dies zeigen die häufigen Mahnwachen. Ansonsten sind die Aktivitäten der Neonazis aus dem AN-Umfeld (Autonome Nationalisten) gemeinsam mit Parteifunktionären und Rockern mit Sorge zu beobachten. Es gibt nachweislich Räumlichkeiten wie in Saarbrücken, in denen diese Menschen ungestört zusammen kommen. Das Bündnis „SaGeSa“ wird mit hoher Wahrscheinlichkeit keine große Rolle im Jahr 2015 spielen, dafür war der erste und einzige Auftritt der Versammlung zu blamabel.

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