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Wie sich die Montage 2014 von den „Friedensdemos“ zu den Islamfeind_innen wandelten

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Leider sind sie viele: In Dresden demonstrierten 5.500 Menschen als "Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlands" (Pegida). (Quelle: picture alliance / dpa)

In Dresden gingen am Montag 5.500 Meschen auf der sechsten Demonstration der „Patriotischen Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) auf die Straße (Hintergrund zu Pegida hier). Damit hat sich die Teilnehmer_innen-Zahl auf den Pegida-Demonstrationen von 350 Ende Oktober wöchtentlich gesteigert und selbst im Vergleich zum vorigen Montag, wo 3.200 auf die Straße gingen (fgn), fast verdoppelt. 400 Menschen protestierten gegen diesen Strom von Islamfeinden. In der Rede der Veranstaltung wurde diesmal auch gegen „Wirtschaftsflüchtlinge“ und „kriminelle Flüchtlinge“ gewettert. Die rassistische Front gegen alles „Fremde“ wird so immer sichtbarer.

In Berlin-Marzahn, wo am Wochenende noch rund 2.000 Berliner_innen die 800 rechte und rechtsextreme „Heimgegner_innen“ gut blockiert hatten (ngn berichtete), konnten am Montagabend 950 gegen „Asylmissbrauch“ durch die Straßen ziehen, nur 150 Gegendemonstrant_innen standen auf verlorenem Posten. 

Hooligan-organisiert: Die Hetze gegen Muslime

Zu Beginn des Jahres waren es montags die verschwörungstheoretisch instrumentalisierten, bundesweit auftretenden „Friedensdemonstrationen“, die für Aufsehen sorgten –  bis sie ab Mitte des Jahres für die breite Masse der Wutbürger_innen an Attraktivität verloren. Dies geschah nicht nur wegen der Einsicht, dass sie wenig erreichen, aber auch, weil ihre starke Beeinflussung durch Verschwörungstheoretiker_innen öffentlich diskutiert wurde. Nun scheint die Wutbürger-Gruppe aber auf der Straße bleiben zu wollen. Sie hat sich transformiert und trägt nun ihren Hass auf den demokratischen Staat und alles „Fremde“ auf den Demonstrationen gegen Salafisten und Islamisten („HoGeSa“, „SaGeSa“, „Pegida“, „BaGeSa“ und wie sie alle heißen) auf die Straße. Natürlich nicht, ohne zu betonen, dass man kein Nazi sei, kombiniert mit der üblichen Rhetorik in solchen Fällen: kein offener, biologistischer Rassismus, aber Kulturrassismus, rassistische Verallgemeinerungen, Imaginierung von Bedrohung, schlecht spontan widerlegbare Fantasiezahlen, Betonung der eigenen Freiheitsrechte bei gleichzeitiger Negierung derselben bei allen, die nicht der gleichen Meinung sind. Diese „Argumentationen“ gibt es schon lang, Islamfeinde wie ProNRW, pi-news, AfD und deren Anhänger_innen leiern sie vor sich her und schreiben damit das Internet voll. Doch es blieb einem Hooligan-Forum vorbehalten, sich an der islamfeindlichen „English Defense League“ zu orientieren und die in Deutschland vorhandenen Hooligan-Strukturen zu nutzen, um das bei den gewaltbereiten Fußballfans beliebte Gemeinschaftserlebnis rassistisch aufzuladen und politisch umzuleiten. Tatsächlich hielten die gut organisierten Hooligan-Strukturen, was die Initiatoren sich versprachen. Die gemeinschaftliche Großmacherei, angereichert mit rassistischem Pseudo-Inhalt, ein bisschen Staatsfeindlichkeit und politischer Unkorrektheit, kam an und brachte Tausende auf die Straßen. Erst waren es Hooligans, dann liefen die Rechten bis Rechtsextremen zu. Nun hat sich mit „Pegida“ die Argumentation wieder eine Runde weiter gedreht: Weg vom Fußball, nominell auch weg von den Nazis, will man „spazierengehen“ gegen „Islamismus“, um sein Gemeinschaftserlebnis trotzdem zu haben, um sich mit seiner Rechtsaußen-Meinung einmal in der Mehrheit zu fühlen, wo einem das Leben doch permanent zeigt, dass die meisten Menschen in Deutschland die Demokratie schätzen und nicht so hasserfüllt und kleingeistig leben wollen.

Nazi-organisiert: Die Hetze gegen Flüchtlinge

Etwas anders, aber doch nicht ganz, ist es mit der Hetze gegen Flüchtlinge. Diese wird seit Mitte 2013 strategisch gezielt befeuert durch die Neonazis rund um die NPD. Schon die ersten „Nein zum Heim“-Gruppen bei Facebook, die zu den ersten „Lichtelläufen“ im sächsischen Schneeberg führten, waren NPD-gesteuert – auch wenn es oft erst später offensichtlich wurde – und verwandelten Fragen der Bevölkerung mittels Gerüchten, nur kompliziert wiederlegbarem Scheinwissen und emotionalen Aufregerworten („unsere Kinder“, „unsere Frauen“) in Angst und diese dann in Vorverurteilungen und Hass. Tatsächlich muss man zugeben, dass dies den Nazis gut gelang: Auf Demonstrationen gegen Flüchtlingsheime laufen überall durchschnittliche rechte Bürger_innen neben gewaltbereiten Neonazis, mit denen zu Paktieren eigentlich auch für sie gesellschaftlich unmöglich sein müsste, es nun aber offenbar nicht mehr ist. Vermittelnde Worte für ein friedliches Zusammenleben finden in Orten, in denen die NPD und andere Rechtsaußen-Gruppen hetzen, weit schwerer Gehör. Kein Wunder, denn die, die sie sprechen, werden sogleich als „linke Gutmenschen“ diffamiert. Die Hetze ist meist so dumpf, dass es kaum zu glauben ist, dass viele Menschen auf solche Parolen hereinfallen. Und doch ist es so. In Berlin beispielsweise ist es offensichtlich, dass die Nazi-Hetze (und ihre unwidersprochene Akzeptanz) einen Unterschied macht: Containerdörfer für Flüchtlinge sind nicht nur in Köpenick, Marzahn-Hellersdorf und Buch (Pankow) geplant, wo die rechtsextreme Szene mobilisert – sondern auch in Steglitz-Zehlendorf und Lichtenberg. Dort gibt es keine Demonstrationen gegen Flüchtlinge. Stattdessen werden Problem konkret, vor Ort und in Absprache geklärt – so, wie man sie wirklich löst. Denn das Herumstehen auf der Straße bringt keinem etwas, es ist nur ein Kanal für blinde Wut. Das Dumme ist nur, dass blinde Wut selten zu etwas Gutem führt, dafür sehr viel öfter zu Gewalttaten und Kriminalität, deren Vermeidung die „Heimgegner_innen“ doch eigentlich wünschen.

Und nun wird es anstrengend

Kann man die rassistischen Wutbürger_innen einfach ins Leere laufen lassen und hoffen, dass der Winter und die Weihnachtsbesinnlichkeit die Motivation schon erledigen werden? Riskant. Alle Erfahrungen aus der Arbeit gegen Rechtsextremismus zeigen, dass am Ende nicht die Städte ihre Nazi-Demonstrationen los geworden sind, die sie ignoriert haben, sondern die, die ihnen permanenten Gegenwind gemacht haben: Duch zivilgesellschaftliche Proteste ebenso wie durch Ausschöpfung kommunaler und polizeilicher Möglichkeiten. Es ist wichtig, dass rassistische Demonstrationen nicht unkommentiert bleiben. Die Gegenwehr nimmt den Spaß. Zugleich ist aber auch unumgänglich, Sachprobleme vor Ort tatsächlich zu bearbeiten, Demokratie als Prozess von Mitsprache und Austausch auch zu leben. Politiker_innen und anderen Personen des öffentlichen (Medien-)Lebens müssen sich bewusst machen, wo sie uninformiert oder bewusst verallgemeinernd und abwertend über Flüchtlinge oder Islamist_innen sprechen – und was die Folgen eines solchen Handelns sind, wer die Menschen sind, denen sie das Gefühl geben, eine Legitimation zur Tat zu haben – und was diese dann tun werden.

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