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Rennicke, Frank

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Es war eine Not-Wahl – der eigentliche Wunschkandidat von NPD und DVU für das Amt des Bundespräsidenten, Autor Bernd Rabehl, hatte den rechtsextremen Parteien schließlich doch eine Absage erteilt. Da holte NPD-Chef Udo Voigt auf dem Bundesparteitag 2009 in Berlin plötzlich Frank Rennicke aus dem Hut und lobte ihn als Kämpfer für die „Meinungsfreiheit“, der „größte Verfolgungen durch das BRD-System erlitten habe“. Holger Apfel, Fraktionsführer der NPD Sachsen, schloss an, Rennicke sei „eine der wichtigsten Persönlichkeiten des volkstreuen Lagers und ein Brückenkopf zwiscchen verschiedenen Strömungen und Generationen“. Wie konnte ein mäßig begabter und mäßig charismatischer Balladensänger so weit kommen?

Was Rennicke für die Szene bedeutet

Frank Rennickes größter Verdienst besteht darin, rechtsextreme Lieblingsthemen wie Heimat (im „Blut und Boden“-Sinn), Widerstand, Hitler- und Soldatenverehrung, Rassismus oder Antiamerikanismus so zu besingen, dass zwar viele seiner Werke als jugendgefährdend indiziert, aber bisher keiner seiner Texte verboten wurde. Dazu kommen schwülstige Liebeslieder über holde Maiden und Oden an die Kameradschaft, die erstaunlicherweise Jung- und Altnazis gleichermaßen ansprechen. Rennicke stilisiert sich entsprechend gern als zu Unrecht verfolgter „Barde“.

Als Jugendlicher schulte ihn die Wiking-Jugend nicht nur ideologisch, sondern ermunterte den 17-Jährigen auch zum Gitarrespielen. Eine Vorliebe für den Stil linker Liedermacher wie Reinhard Mey paarte sich mit Rennickes limitierten Gitarrenkünsten zum balladesken Vortragsstil des Gesangs zu Gitarre. Dabei kopiert der 45-jährige Vater von fünf Kindern besonders den emotionalen Vortragsstil, der von ihm teils rührselig-schwülstig, teils kämpferisch ausgestaltet wird.

Seit 1989 bestreitet Rennicke damit unermüdlich Demonstrationen, Parteiveranstaltungen und Konzerte. Auch diese fleißige Kleinarbeit trägt zu seiner Popularität in der Szene bei. In den neuziger Jahren war er für Neonazis auch eine der ersten musikalischen Alternativen zu schrammeligem Skinhead-Rock.

Gerichtsverfahren

Nach dem Verbot der Wiking-Jugend 1994 trat Rennicke in die NPD ein. Im Zuge verschiedener Gerichtsverfahren hatte er in der Vergangenheit immer wieder versucht, sich als zu Unrecht verfolgter „Musiker für Meinungsfreiheit“ darzustellen. Das Amtsgericht Böblingen verurteilte ihn im November 2000 aufgrund des bereits 1986 erstmals veröffentlichten ?Heimatvertriebenen-Liedes? wegen Volksverhetzung zu einer Freiheitsstrafe von 10 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. In seiner Urteilsbegründung stellte das Gericht dazu unter anderem fest, dass:

?In dem Lied werden alle Nichtdeutschen nicht nur als minderwertig dargestellt, sondern auch ihr Recht, hier in Deutschland zu leben, in Abrede gestellt. Das Lied zielt darauf ab, alle Ausländer aus Deutschland zu vertreiben […]. Die aus dem Nationalsozialismus bekannte Rassenideologie findet in der Vertreibung aller ausländischen Mitbürger ihren Ausdruck, denn Ausländern wird jegliches Lebensrecht in Deutschland abgesprochen, während nur die Deutschen als vollwertige Mitglieder der Gesellschaft zählen. Es wird damit die Wiedererstehung des sogenannten Dritten Reiches propagiert. […] Im vorliegenden Fall ist festzustellen, dass das unreflektierte Übernehmen des Liedtextes dazu führt, dass der Friede zwischen den Völkern gefährdet wird, denn in dem Text wird die Gewaltanwendung gegen Ausländer propagiert.?

Das Landgericht Stuttgart hob dieses Urteil in zweiter Instanz auf und verurteilte ihn am 15. Oktober 2002 wegen achtfacher Volksverhetzung und wegen Verstoßes gegen das Gesetz über die Verbreitung jugendgefährdender Schriften zu einer 17-monatigen Freiheitsstrafe, welche ebenfalls zur Bewährung ausgesetzt wurde. Daraufhin legte Rennicke nach Ablehnung seiner beim Oberlandesgericht Stuttgart beantragten Revision Verfassungsbeschwerde beim Bundesverfassungsgericht ein, dessen zuständige Kammer dem Gesuch durch einstimmigen Beschluss am 25. März 2008 stattgab und die drei zuvor ergangenen Urteile des Amtsgerichts Böblingen vom 22. November 2000, des Landgerichts Stuttgart vom 15. Oktober 2002 und des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 17. Juli 2003 aufhob. Ein Triumph, den seither nicht nur Rennicke selbst, sondern die ganze rechtsextreme Szene bis zur Parteispitze der NPD auskostet.

Themen

Seine Lieder umfassen eine weitreichende Themenpalette, wobei die Heimat- oder Vertriebenenliedern, welche sich um die ehemaligen Ostgebiete und die Vertreibung der deutschen Bevölkerung nach 1945 drehen, die offene Huldigung des dritten Reiches und den ?Helden? des Zweiten Weltkrieges, bzw. dem ?deutschen Soldaten? und Drohungen gegen aktuelle Feindbildern wie Ausländer, Linke und die multikulturelle Gesellschaft zu den zentralsten gehören.

Bestimmte Metaphern sind dabei je nach Thema immer wiederkehrend, etwa wenn er die ?Heimat? besingt, was mit dem ?deutschen Wald? oder der aus der NS-Zeit bekannten „Blut und Boden“-Thematik konkretisiert wird. Unverblümt rassistische und zu Gewalt aufrufende Parolen, wie sie im Heimatvertriebenen-Lied zu finden sind, werden in den neueren Produktionen vermieden.

Zitat: ?Über Länder, Grenzen, Zonen?

?Deutsch ist Herz und Hirn und Hand und dennoch ist es gescheh´n, / dass Ostpreußen, Du deutsches Land, konntest in die Hand des Feindes übergehen. / Seit über 40 Jahren geknechtet, verblutest Du jeden Tag ein wenig mehr, /
Lumpen haben Dich entrechtet, doch wir geben Dich niemals her. […]
Ob Breslau, Thorn und Danzig, ob Posen, Gleiwitz und Stettin. / Ob Chemnitz, Bromberg und Leipzig, ob Bozen, Königsberg und Wien. / Alles sind sie deutsche Städte und liegen in deutschem Land, / geraubt durch Verbrecherräte, geschändet jeder deutsche Stand.“

Die Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) hat aus naheliegenden Gründen in den vergangenen Jahren mehrere Musikproduktionen von Frank Rennicke indiziert, d. h. in die Liste der jugendgefährdenden Schriften aufgenommen. So wurde beispielsweise die CD „Auslese“ indiziert, weil in den Liedern dazu aufgefordert wird, jeden zu vertreiben, der nicht in das Konzept der NS-Ideen passt und in den Texten revisionistisches Gedankengut Verbreitung findet.

Aufgrund seiner einfachen, ein breites Publikum ansprechenden Musik und rückwärtsgewandten, an völkischen und ?großdeutschen? Idealen orientierten Texten gilt er als eine der musikalischen Schlüsselfiguren für den Einstieg in die rechte Szene. Entsprechend waren Rennicke-Lieder auf jeder NPD-Schulhof-CD dabei.

Rennicke bedient dabei mit seinem Liedgut ein breites Spektrum der rechtsextremen Szene. Er tritt regelmäßig bei Veranstaltungen der NPD und der „Jungen Nationaldemokraten“ auf, sang bei den „Republikanern“ und deren Jugendorganisation, bei der „Gesellschaft für freie Publizistik“ und der „Deutschen Liga für Volk und Heimat“.

Er ist in der Tat ein „Vorzeigenazi“ für die verschiedensten Strömungen, der in einem Fragebogen aus der Szene als Lieblingromanhelden „Hitlerjunge Quex“ angibt, als Lieblingsfarben „Feldgrau, Olivgrün und Herbsttarnung“ und als Lieblingheldin „meine Frau und all die vielen Mütter“. Die Kinder haben alle germanischen Namen, die sie fürs Leben zeichnen. Rennicke, der mit seiner Familie in Bayern lebt und auf seinem Landgut auch Ferienlager der Heimattreuen Deutschen Jugend veranstaltete, ist ein überzeugter Ideologe, der schon so weit außerhalb der gesellschaftlichen Normalität steht und auch sein Einkommen ausschließlich in der Szene bezieht, dass er NPD und DVU komplikationsfrei als Kandidat zur Verfügung stehen kann.

Auch 2010 wurde Rennicke wieder Bundespräsidentenkandidat der NPD. Alternativ zu ihm war der verurteilte Kriegsverbrecher Erich Priebke im Gespräch gewesen.

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