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Rechtsextremer Anschlag auf Kölner Oberbürgermeisterkandidatin

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Was "Besorgte Bürger" zu dem Anschlag zu sagen haben

Der Täter verletzte die 58-Jährige Reker an einen ihrer letzten Wahlkampftermine, einem  gemeinsamen Infostand von CDU, FDP und Grünen, mit mehreren Stichen im Halsbereich. Er führte zwei Messer mit sich. Reker wurde an der Luftröhre verletzt und musste operiert werden, es gab jedoch keine arteriellen Verletzungen.

Wer ist Frank S. und was hat ihn zu dieser Tat motiviert?

Frank S. ist ein seit mehreren Jahren arbeitsloser 44-jähriger, gelernter Maler und Lackierer. Bevor er nach Köln zog, lebte er in Bonn und war dort wohl in den 1990er Jahren in der „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei“ (FAP) aktiv. Die FAP galt als besonders aggressiv und rief in den 1990ern offen dazu auf, Flüchtlingsheime anzuzünden. Nazi-Gegner und Migranten wurden von ihren Mitgliedern in Bonn und dem Umland immer wieder attackiert. Auch der Täter von Samstag soll an Körperverletzungen beteiligt gewesen sein. Die FAP wurde 1995 schließlich als „eine ihre Zielsetzung nach mit der NSDAP wesensverwandte Partei“ verboten. Darüber hinaus beteiligte sich Frank S. wohl an neonazistischen Demonstrationen. So soll er sowohl 1993 als auch 1994 an Rudolf-Hess-Gedenkmärschen in Fulda und Luxemburg teilgenommen haben. Im Verlauf der 1990er Jahre soll Frank S. mehrere Bewährungsstrafen unter anderem wegen Raub und Körperverletzung gesammelt haben. Im Winter 1997 soll er sogar inhaftiert worden sein. Der NRW-Verfassungsschutz teilte mit, dass der Attentäter 2008 Kontakt zur NPD gesucht habe. „Spiegel Online“ meldete unter Berufung auf Behörden, dass der Mann zuletzt mit rassistischen Kommentaren im Internet aufgefallen sein.

„Zugestochen hat ein Mann, der nach den bisherigen Erkenntnissen in den neunziger Jahren – wie auch schon die Killer des NSU – in der faschistischen Parallelgesellschaft Deutschlands politisch sozialisiert worden ist.“ (TAZ)

Zu seinen Motiven hat Frank S. bereits Stellung bezogen. In seiner Vernehmung im Polizeipräsidium Köln gab er an, OB-Kandidatin Henriette Reker „gezielt angegriffen“ zu haben. Er macht sie für die Flüchtlingspolitik der Stadt Köln verantwortlich. Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn sagte dem WDR, der Täter habe gestanden, dasss „die aktuelle Ausländerpolitik und insbesondere das Vorgehen im Zusammenhang mit Flüchtlingen“ ihn zu der Tat motiviert hätte. Dies passt auch zur Aussage des Kölner Kripo-Chef Wagners: „Der Mann hat gestanden, aus fremdenfeindlichen Motiven gehandelt zu haben“

Laut der Kölnischen Rundschau soll der der 44-jährige Täter vor der Tat geschrien haben: „Ich bin der Messias. Ich tue es für euch alle.“ Auch, dass er es wegen der Flüchtlingspolitik handele und von „Flüchtlingsschwemme“ soll er gesprochen haben. 

Der anfängliche Eindruck, dass Anschlag mit einem Messer auf das Konto eines Gestörten geht, war schon nach 24 Stunden widerlegt. Der 44-Jährige ist laut eines Gutachters voll schuldfähig. Frank S. wird versuchter Mord und mehrfache gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Mittlerweile hat der Generalbundesanwalt die Ermittlungen übernommen, ausschlaggebend für diese Entscheidung sei das mutmaßliche Motiv, die Schwere der Tat und der mit ihr vom Beschuldigten angestrebten Signalwirkung. 

Seine Tat scheint sorgfältig geplant gewesen zu sein. Bei der Polizie gab er an, eine Hausdurchsuchung würde zu keinem Ergebniss führen. Auf dem von den Fahndern sichergestellten Rechner und Unterlagen des 44-Jährigen fanden sie keine Hinweise auf die Tat. Aus den Computern hatte er vorsorglich die Festplatten ausgebaut. Laut dem „Kölner  Stadt-Anzeiger“ soll er nach seiner Festnahme sinngemäß zu einem Polizisten gesagt haben: „Ich bin heute Morgen aufgestanden, um heute Abend als Mörder im Gefängnis zu sitzen.“

 

Parallele zu Breivik

Dem „Weser Kurier“ sagt der Sozialpsychologe Andreas Zick, Leiter des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Uni Bielefeld, dass er Parallelen zwischen Frank S. und dem norwegischen Massenmörder Anders Breivik sieht. Der Attentäter sei dabei „ähnlich wie Breivik in Norwegen der Typus des Einzeltäters, den wir eher aus dem islamistischen Terror kennen“. Die Tat ist für ihn „eine ideologische Botschaft, im Amokstil in aller Öffentlichkeit ausgeführt“. Die lange Einbindung in eine rechtsextreme Gruppe, Geschlecht und prekäre soziale Lage passen für ihn typisch ins Bild. Im Interview sieht er weiter das:

„Menschen, die sich ohnmächtig und unfair behandelt fühlen, können durch Propaganda in einen Zustand überführt werden, indem sie die Art und Weise, wie der Staat Konflikte reguliert, infrage stellen. Frust ist Folge von fehlendem sozialem Einfluss. Lassen sich die Menschen dann durch Propaganda aufheizen, sind alle anderen an der Misere Schuld und man schlägt zu, um das Böse zu beseitigen. Im Netz, auf den Spaziergängen von Pegida ging es immer um Feinde, die bekämpft werden sollen.“

Ausschlaggebend ist für ihn das gesellschaftliche und politische Umfeld. „Wir haben vor Monaten gewarnt, dass der Rechtspopulismus auf eine gewaltorientierte Durchsetzung der eigenen Propaganda drängt.(…) Wir haben 179 Todesopfer rechtsextremer Gewalt und eine Rechtsterrorgeschichte mit dem NSU. Wir haben allein dieses Jahr über 500 vorurteilsbasierte Hasstaten. Das ist der Bezugsrahmen, auf den sich der Täter beruft.“ (Weser Kurier)

 

In den Kommentaren zu Tat sind sich Presse und Politik einig, dass die nun schon ein Jahr währende rassistische und demokratiefeindliche Propaganda der „Pegida“-Bewegung einem solchen Täter als Legitimierung für die Tat nützt.

Andrej Reisin vom NDR sieht gerade in der Wahl des Opfers ein rechtsterroristisches Motiv:

„Fremdenfeindliche Motive des Täters waren ausschlaggebend“, sagte der ermittelnde Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn gestern zum derzeitigen Stand der Ermittlungen […] Die meisten Medien übernahmen diese Einschätzung. Doch beim genaueren Nachdenken überrascht diese Formulierung: Denn Henriette Reker ist mit Sicherheit nicht „fremd“ in Köln. Der Täter mag ein Fremdenfeind sein – und obendrein sogar „verwirrt“. Seine Tat aber – und seine eigene Begründung dafür – ist nicht „fremdenfeindlich“, sondern rechtsextrem. Und damit ist sie die neueste Eskalation in einer Terrorwelle von rechts, die seit Monaten durchs Land schwappt: Da sind die brennenden Flüchtlingsunterkünfte, die Hass-Kommentare und Bedrohungen im Internet, die Angriffe auf Journalisten, Mitarbeiter von Hilfsorganisationen und ehrenamtliche Flüchtlingshelfer. Was aber kennzeichnet Terrorismus? Laut Prof. Peter Waldmann versteht man unter Terrorismus „planmäßig vorbereitete, schockierende Gewaltanschläge gegen eine politische Ordnung aus dem Untergrund.“ (NDR)

 

Auch unter dem Einfluss dieser Tat warnt Bundesinnenminister Thomas de Maizière am Folgetag erstmals vor „Pegida“, nennt die Organisatoren „harte Rechtsextremisten“ und „Rattenfänger“. „Sie bezeichnen Asylbewerber pauschal als Verbrecher, alle Politiker als Hochverräter“, kritisierte de Maizière, das sei fern jedes politischen Konsens (tagesschau.de).

 

aktualisiert am 20.10.2015

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