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Neues aus dem Monitoring Pegida Europa?

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Auf der Google-Maps-Karte, die Pegida-Fans mit allen Demonstrationen angelegt haben, sieht es aus, als bekäme Europa Pegida-Pickel (das Sternchen ist übrigens Dresden). Es gibt allerdings Gründe, warum sich die Tausenden Pegida-International-Facebook-Fans nicht vor Ort auf der Straße einfinden. (Quelle: Screenshot)

Text: Simone Rafael, Monitoring: Malte Switkes vel Wittels

Dass Pegida, die „Patriotischen Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“, frischen Wind in die rechtspopulistische und islamfeindliche Szene Deutschlands gebracht hat, ist unbestritten. Wer vorher sich nur bei PI-News in den Kommentarspalten ereifern konnte, hatte plötzlich Auslauf mit mehr oder weniger Gleichgesinnten auf der Straße. Endlich ein erhebendes Gruppengefühl statt der sonst vorherrschenden Wahrnehmung als ewige, von politisch Andersdenkenden unterdrückte Minderheit, die ihre Ressentiments nicht frei äußern darf! Auch europaweit hat diese Gemengelage viele Anhänger_innen. Kein Wunder also, dass nun an verschiedenen Stellen versucht wird, den „Pegida“-Aufmerksamkeitserfolg aus Dresden auch in anderen Ländern zu wiederholen. 

Pegida Europa in der Realität

In der wirklichen Welt gelang dies bisher eher mickrig. Dänemark ist das Land, indem die meisten Versuche in diese Richtung gestartet werden – dort unter dem Motto „SIAD“ – „Stop Islamiseringen Af Danmark“. Am 06.01.2015 gab es eine Demo mit 50 Teilnehmer_innen in Haldersleben, 500 Gegendemonstrant_innen hielten sie auf. Am 19.01. gab es dann Aufmärsche in Aarhus (Pegida: 30 / Gegendemo: 300), Esbjerg (100 / Gegendemo: 400, Kopenhagen (Pegida 200 / Gegendemo 300) und Oslo (Pegida 70 / Gegendemo 200). Von einer über Facebook angekündigten Pegida-Demonstration in Paris am 18.01.2015 – nach den terroristischen Anschlägen auf das Satiremagazin „Charlie Hebdo“ und den jüdischen Supermarkt – hörte man später nichts mehr. Aktuell werden im Internet international Pegida-Demonstrationen in Österreich (Wien, 02.02.2015), Dänemark (02.02.2015, Aarhus, Kopenhagen, Kristiansand), Schweden (09.02.2015, Malmö), Schweiz (16.0.2.2015, noch ohne Ort), Großbritannien (28.02.2015, Newcastle) und Belgien (07.03.2015, Vervies) angekündigt.

Pegida Europa auf Facebook

Virtuell brummt Pegida noch national wie international. Auf Facebook gibt es diverse Pegida-Seiten, die auf verschiedene europäische Länder zielen. Das Monitoring von no-nazi.net hat sich die größten exemplarisch einmal mit dem Online-Tool von Fanpagecharma angesehen.

Pegida United Kingdom ist die aktuell größte nicht auf Deutschland zielende Pegida-Seite. Allerdings stammen nur 44 Prozent der Fans, die auf „Gefällt mir“ geklickt haben, wirklich aus Großbritannien – das mit der UKIP gerade auch eine massiv erfolgreiche rechtspopulistische Partei besitzt. 36 Prozent kommen dann doch aus Deutschland. Die deutschen Pegida-Aktivist_innen sind in den Sozialen Medien so massiv unterwegs und euphorisiert, dass sie offenbar überall auf „Gefällt mir“ klicken, wo „Pegida“ drauf steht. Im europäischen Ausland wiederum wird „Pegida“, eigentlich ja die Abkürzung für „Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“, wie ein Eigenname benutzt. Interessant sind die Sprachfamilien: Die drittmeisten Fans kommen hier aus den USA.

 

„Pegida Österreich“ ist die zweitgrößte nicht auf Deutschland zielende Pegida-Seite. Allerdings: 40 Prozent der Fans sind auch hier trotzdem deutsch. Immerhin 48 Prozent – und damit die Mehrheit, aber auch nur knapp die Hälfte – kommt wirklich aus Österreich, in dem Rechtspopulismus mit HC Straches FPÖ und der BZÖ sogar gern gewählt wird.

Auch in Schweden hat Rechtspopulismus Konjunktur: Die „Sverigedemokraterna“ erreichten bei der letzten Reichtstagswahl 12,9 Prozent der Stimmen und entsandten 49 Abgeordnete. Pegida Sverige hat über 8.000 Fans. Und tatsächlich: Hier kommen sogar über die Hälfte aus Schweden (54 %), aus Deutschland sind es diesmal „nur“ 29 Prozent. Auch aus den Nachbarländern Norwegen und Dänemark klicken hier einige auf „Gefällt mir“ – und sogar eine zählbare Menge von Menschen aus Thailand.

Ähnlich ist der Trend bei „Pegida Norge“ aus Norwegen. Hier kommen immer noch 34 Prozent der FB-Fans aus Deutschland. Aber: Der größte Teil, 41 Prozent kommt tatsächlich aus Norwegen. In den nördlichen Ländern Europas treffen die Pegida-Thesen offenbar die islamfeindliche Angstgefühlslage recht gut.

Vielleicht sind die Fans von Pegida Spain alles Menschen mit Zweitwohnsitz auf Mallorca? Nicht nur beim Grand Prix rufen viele aus Spanien für Deutschland an. Auch bei „Pegida Spain“ sind wirkliche Spanier_innen Mangelware: Nur 17 Prozent der Fans kommt aus Spanien – dafür 59 Prozent aus Deutschland. Zwar sind die Beiträge auf Spanisch verfasst – aber es ist schon auffällig, dass es sich nicht um „Pegida Espagna“ handelt.

   

Am lustigsten wird die Verteilung bei Pegida Polen: 64 % der 2.339 Fans kommen aus Deutschland, nur 14 % kommen wirklich aus Polen. Wenn die mal eine Demonstration versuchen, wird die wohl richtig klein – oder reist aus Deutschland an.

 

„Pegida Europa“

Blickt man auf die scheinbare Überblicksseite „Pegida Europa“, fällt auf: Die hohen Zugriffszahlen in den verschiedenen Ländern addieren sich nicht, die Seite hat „nur“ rund 8.000 Likes (immer noch zu viel) – sie vermuten nun wohl schon, warum. Ein Blick auf das Tortendiagramm bestätigt: 

 

70 Prozent der virtuellen europäischen Phalanz gegen die vorgebliche „Islamisierung des Abendlandes“ kommt wiederum aus Deutschland. Kein Wunder, dass die meisten der dort geposteten Beiträge auf Deutsch sind – das können ja dann auch die meisten lesen.

Faszit:

Am liebsten ist Pegida offenbar weiterhin den Rechtspopulisten in Deutschland – sie bekommen ja auch am meisten davon mit. Aber: Die Online-Aktivist_innen der Bewegung sind aktuell so aktiv, dass sie auch bei sämtlichen Pegida-Europa-Seiten die Like-Zahlen in die Höhe treiben und so eine Bedeutung der „Bewegung“ simulieren, die sie wirkungsmächtiger scheinen lässt, als sie ist. Diese Online-Strategie ist bewährt. Schon vor Pegida vernetzten sich Rechtspopulist_innen in Europa vielfältig übers Internet und vor allem über soziale Netzwerke: Die Jungen tun dies über die „Identitäre Bewegung“ und die Nazi-Hipster-Blogs, die Radikaleren „Kreuzritter“ über die Denfence Leagues, die es auch in den meisten europäischen Staaten gibt – und die „klassischen“ Rechtspopulist_innen über entsprechende rechtspopulistische Parteien und Medien. Denn die Inhalte sind in allen Ländern tatsächlich sehr ähnlich: Angst vor einem angeblichen Verlust „nationaler Kulturen“, Angst vor einem angeblichen Wachsen des Islam in Europa, Angst vor dem Verschwimmen nationaler Grenzen durch die EU, Politiker-, Medien und Demokratieschelte und Hetze gegen politisch Andersdenkende, Minderheiten und gegen Gleichstellungsbemühungen und Pluralimus und Vielfalt. Diese Themen gilt es auch zu bearbeiten, selbst wenn „Pegida“ vorbeigeht.

 

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