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Monatsüberblick Februar 2016 Internet und Social Media

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Tolles Projekt: Die "Hoaxmap" visualisiert, wo welche Gerüchte über Geflüchtete verbreitet werden - und zeigt damit die Absurdität der Lügengeschichten, die gezielt Hass und Empörung schüren sollen. (Quelle: hoaxmap.org)

 

Verurteilungen +++ Ermittlungen +++ Lügen und Gegenrede +++ Umgang mit Hate Speech +++ Counter Speech +++ Nazis und Rechtspopulist_innen im Netz.

1. Verurteilungen

Was? „Vergasen sollte man die Mistviecher“ sagt YouTuber „Julien“ in einem Video  über streikende Lokführer und ergänzt „Wisst ihr noch, wie die Juden mit Zügen nach Auschwitz transportiert wurden? Man sollte die Zugführer da hinbringen. Ich fahr den Zug und zwar umsonst. Und ohne zu streiken”.Anklage: Volksverhetzung

Wer? YouTuber „Julien“, 27, Betreiber von „Juliens Blog“ (1,3 Millionen Fans)

Kostet? 15.000 Euro, Bewährungsstrafe von 3 Jahren

QuelleWestfälische Nachrichten 

Was? Bildcollage, die ein Kinder-Überraschungsei als Handgranate zeigte, überschrieben mit den Worten „Sonderedition Asylanten. Spannung, Spiel und weg.“Staatsanwalt: Aufruf zu Hass gegen Teile der Bevölkerung und zu Gewalt

Wer? 36-Jährige Mutter einer siebenjährigen Tochter aus Chemnitz.

Kostet? 1.200 Euro (40 Tagessätze)

QuelleFreie Presse

 

Was? Rassistisches Video mit einem „abscheulichen, menschenverachtenden“ Liedtext geteilt; Anklage: Volksverhetzung.

Wer? 45-jähriger Familienvater, Gerüstbauer aus Berlin

Kostet? 100 Tagessätze = 3.500 Euro

QuelleBerliner Zeitung 

Was? Kommentiert Foto „Der Müll der Flüchtlinge“ mit „Es gibt genug Deutsche, die für einen Euro arbeiten. Steckt es dem Asipack ruhig in den A…..“ Dann empfahl er, „dass Kanakenpack an der Grenze zu erschießen oder zu vergasen“. Anklage: Volksverhetzung

Wer? 30-jähriger Industriemechaniker aus Geretsried

Kostet? Ein halbes Jahr Gefängnis auf Bewährung, 80 Stunden Sozialdienst „im Bereich der Asyl- und Flüchtlingshilfe“.

Quelle: Merkur

Was?  Er würde gern die Öfen in den ehemaligen Konzentrationslagern Dachau und Buchenwald wieder in Betrieb nehmen, dann sei das Problem [mit Flüchtlingen] schnell erledigt. Ein Bekannter des Mannes hatte das bei der Polizei angezeigt, weil dieser ihm auch Bilder gezeigt habe „wie er umfangreiche Schießübungen macht“. Anklage: Volksverhetzung, unerlaubter Munitionsbesitz

Wer? 41-Jähriger aus Ginsheim-Gustavsburg (Hessen)

Kostet? 3.000 Euro (100 Tagessätze à 30 Euro)

QuelleEcho-Online.de

 

Was? Posting: Es würden noch zu wenige Asylunterkünfte brennen.

Wer? Chef einer Sicherheitsfirma aus Bautzen

Kostet? 6.000 Euro

Quellemdr

 

Was? Posting über einen Pfarrer, der sich gegen „HoGeSa“-Demo die Kirchenglocken läutet: „Was willst du von Pack erwarten das sich an kleinen Kindern vergreift, dieser pädophile Abschaum. Ab nach Auschwitz ich schmeiß die Öfen wieder an.“

Wer? 44-Jährige aus Borken (Münsterland)

Kostet? 3.000 Euro

Quelle: Der Westen

 

Was? Der Freitaler Linken-Stadtrat Michael Richter wurde im Internet als „Blutschänder“, „Abschaum für Freital“ und eine „elende Ratte“  beleidigt.

Wer? Ronny T. aus Freital

Kostet? 750 Euro

QuelleSächsische Zeitung 

Was? Facebook-Posting: „Drecksyrierpack, einfach abschlachten die Schweine, da werden unsere Steuern verschleudert, und wir müssen für unsere Kinder Essengeld bezahlen.“ Außerdem ein Foto von Adolf Hitler, darunter stand: „Vermisst seit 45. Adolf bitte melde dich, Deutschland braucht dich.“Anklage: Volksverhetzung und Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen

Wer? 39-Jähriger aus dem Landkreis Stendal

Kostet: 130 Tagessätzen à 30 Euro (insgesamt 3900 Euro)

QuelleVolksstimme 

Was? „Menschenverachtende Bemerkungen“ in der Facebook-Gruppe „Freunde für Deutschland“; Anklage: Volksverhetzung

Wer? 56-jähriger Ostbeverner

Kostet? 3150 Euro

Quelle: Westfälische Nachrichten

 

Was? Rassistischer Beitrag der Facebook-Gruppe „Ich bin ein Bürger des Deutschen Reichs und kein Personal der Firma BRD“ geteilt, in dem Menschen mit ausländischen Vornamen als Futtermittel für Kampfhunde dargestellt werden.

Wer? Ehrenamtlicher Verwaltungsrichter aus Karlsruhe

Kostet? Das Amt als ehrenamtlicher Verwaltungsrichter – Zweifel an der Verfassungstreue

QuelleRNZ 

Hintergrund: Welche Äußerungen sind als Volksverhetzung strafbar – und welche Regeln gelten im Netz? (tagesschau.de)

 

Dunja Hayali: Einstweilige Verfügung gegen hassenden Facebook-Nutzer

Und noch ein etwas anderer Fall, weil präventiv: Das Landgericht Hamburg geht mit einer Einstweiligen Verfügung gegen einen Facebook-Nutzer vor, der die Facebook-Seite der engagierten TV-Moderatorin Dunja Hayali mit Hasskommentaren überzogen hatte. Sollte sich der Facebook-User nicht daran halten, droht ihm eine Strafe von 250.000 Euro. Als Reaktion auf ihre couragierte Arbeit haben die Hasstiraden auf ihrer Facebookseite längst eine Dimension erreicht, mit der die Grenzen des Erträglichen weit überschritten werden. Hayalis Anwalt, Christlieb Klages, erklärte nun, dass diese Hasskommentare exemplarisch seien für die brutalen Beleidigungen, welche die Moderatorin zuletzt über sich ergehen lassen musste. Die Hasskommentare hätten Hinweise auf den Klarnamen des Verfassers enthalten, somit konnte man gerichtlich gegen ihn vorgehen (web.de

Keine Verurteilung:

Was? Landrat Michael Harig (CDU) wurde per Email gedroht, man wisse, wo dessen Kinder und Enkel wohnen. Der Kamenzer Oberbürgermeister Roland Dantz (parteilos) erhielt Droh-E-Mails, in denen vom „Tag der Abrechnung“ , an dem „du menschlicher Abfall verbrannt wirst“, die Rede war. Staatsanwaltschaft leitet Ermittlungsverfahren ein.

Wer? Keine Täter ermittelt, Verfahren eingestellt.

QuelleSächsische Zeitung 

Zahl der Anzeigen wegen Volksverhetzung schnellen in die Höhe

Bürger zeigen Politiker wegen Volksverhetzung an, Politiker zeigen hetzende Bürger an, Bürger zeigen sich gegenseitig an: Immer häufiger wird angezeigt, ermittelt, verurteilt. Die Staatsanwaltschaften im Land haben alle Hände voll zu tun. Ralf Peter Anders, designierter Chef der Lübecker Anklagebehörde, sagt: „So viele Anzeigen hatten wir im Bereich Meinungsäußerung noch nie.“ Immer mehr Bürger lassen sich das Vokabular aus einem ultrarechten Lager, vornehmlich aus Reihen von AfD und Pegida, nicht mehr gefallen — und schalten die Justiz ein.  Seine Behörde stoße an Belastungsgrenzen (Lübecker Nachrichten).  In Hamburg hat die Zahl der Anzeigen sich verfünffacht (Hamburger Abendblatt). In Berlin wurde 2015 in 600 Fällen ermittelt (Berliner Morgenpost).

Auch die Freiweillige Selbstkontrolle Multimedia-Anbieter registriert so viele Beschwerden wie nie zuvor: Rechtsradikale Inhalte im Internet sind 2015 acht Mal häufiger angezeigt worden als im Vorjahr. Meist gehe es um Propaganda, schreibt die Freiwillige Selbstkontrolle Multimedia-Dienstanbieter (FSM). Mit insgesamt 5.448 Meldungen, die eingingen, verzeichnete sie einen Rekord, im Vorjahr waren es 4.949. Stark zugenommen hat die Zahl der Beschwerden wegen rechter und rassistischer Sprüche (Die Zeit

2. Ermittlungen 

Was? Holocaustleugnung in einem Chatroom für Katzenfreunde; Auschwitz sei nicht passiert und „Schwachsinn“; Anklage: Volksverhetzung

Wer? 38-jährige Frau aus Schwerin

QuelleFocus 

Was? Kommentar unter einer Bildcollage, die einen mutmaßlichen IS-Kämpfer und einen Mann mit einem tätowierten Hakenkreuz zeigt: „Wir werden erwachen, die Bundesregierung hat uns zu Nazis erhoben, nun handeln wir so!!!“

Wer? Polizist aus Nordhausen; bleibt im Dienst, Prozess wegen Volksverhetzung eingeleitet

Quelle: Thüringer AllgemeineII 

Was? Menschenverachtenden Kommentar auf der eigenen Facebook-Seite nicht gelöscht

Wer? Mann aus Niedersachsen

Quelle: NOZ 

Was? Posting zur Erstaufnahmeeinrichtung in Schweinfurt: »Bombe rein, Tore zu und gut!!!«

Wer? Unter Klarnamen gepostet, Verfahren läuft.

Quelle: Mainpost 

Was? Posting auf der Facebook-Seite »Schweinfurt wehrt sich«: „Habe gehört: ,Tötet ES bevor ES ein Ei legt. Tötet ES bevor es eure Kinder, Frauen oder euch tötet. Tötet die Politiker, die uns dieses Pack ins Land gerufen haben. Tötet deren Verwandtschaft wenn einer aus eurer Familie ein Opfer dieser Merklischenweltgäste geworden ist. Tötet die sogenannten Kriegsgewinnler, welche sich an dieser Flut eine goldene Nase verdienen…‘ Ich aber meine, es würde ausreichen, wenn der erste Politiker vor Ort geteert und gefedert würde, oder?“Verfahren läuft.

Wer? 51-Jähriger aus Schweinfurt

Quelle: Mainpost 

3. Lügen und Gegenrede

 

Bordell-Gutschein für Flüchtlinge: Ein Fake wird viral

Angeblich sollen Flüchtlinge vom „Sozialamt des Freistaates Bayern“ eine Freikarte für einen Bordellbesuch erhalten haben (Der StandardMimikama.at

Erfundene Vergewaltigungen durch Migrangen in Biberach, Kirchheim unter Teck und Schwäbisch-Gmünd (alle Ba-Wü)

Die Vergewaltigung einer Frau in Biberach hat es nicht gegeben. Ermittlungen der Polizei und medizinische Untersuchungen ergaben, dass die 49-Jährige die Tat nur erfunden hatte. Sie gab an, von zwei dunkelhäutigen Männern, die nur gebrochen deutsch sprachen und betrunken waren, bedroht und vergewaltigt worden zu sein. Mittlerweile räumte sie ein, gelogen zu haben. Die Kripo ermittelt wegen des Vortäuschens einer Straftat. Der Frau drohen bis zu drei Jahre Gefängnis (Donau3fm).

Drei Mädchen haben am späten Dienstagabend in Kirchheim unter Teck (Kreis Esslingen, Baden Württemberg) einen angeblichen Übergriff durch Asylbewerber erfunden. Wie die Polizei mitteilt, kamen die Mädchen gegen 23 Uhr in eine Gaststätte am Bahnhof und behaupteten, sie seien gerade „um ihr Leben“ gerannt, um 300 Asylbewerbern zu entkommen, die sie angeblich verfolgt und belästigt hätten. Die alarmierte Polizei war mit starken Kräften schnell zur Stelle, um der Sache nachzugehen. Nach derzeitigem Ermittlungsstand wollten die drei Mädchen im Alter von 15 und 16 Jahren zuvor in eine nahe gelegene Flüchtlingsunterkunft gelassen werden, was ihnen das Sicherheitspersonal jedoch verwehrte (Stuttgarter Nachrichten)

Auch Schwäbisch Gmünd in Baden-Württemberg gab es Gerüchte um eine vergewaltigte 14-Jährige und weitere Fälle. Die Polizei würde das verschweigen, um die Flüchtlingspolitik nicht zu gefährden. Die Stadt stellte nun klar: «Es gibt diese Vergewaltigungen und genannten Fälle nicht.» (Welt

Neu: Hoaxmap: Diese Karte entlarvt Gerüchte über Flüchtlinge

Asylbewerber rauben, morden und vergewaltigen? Die „Hoaxmap“ zeigt, wo und wie Falschmeldungen in Umlauf kommen – und wie sie sich weiter verbreiten. Bericht in der Süddeutschen Zeitung, die Hoaxmap selbst ist hier:http://hoaxmap.org/ 

4. Umgang mit Hate Speech

 

Facebook-Falschmeldungen machen Polizei zu schaffen

Auf einem Frankenthaler Supermarkparkplatz wird ein medizinischer Notfall zum Gewaltverbrechen, in Germersheim überfällt ein südländisch aussehender Mann eine 42-Jährige und in Hockenheim klingeln Räuber an Türen und spielen an der Gegensprechanlage Babygeschrei ab, um ins Haus gelassen zu werden. Das sind nur einige Falschmeldungen aus der Metropolregion, die derzeit in den sozialen Netzwerken kursieren. „Seit den Kölner Übergriffen in der Silvesternacht hat sich das Sicherheitsgefühl der Menschen verändert und das merken wir an ihrem Verhalten bei Facebook, Twitter oder Whatsapp. Im Moment werden alle Nachrichten unreflektiert gepostet, geliked und geteilt“, berichtet Sandra Giertzsch vom Polizeipräsidium Rheinpfalz in Ludwigshafen (morgenweb.de

Hasspostings im Internet schüren den Hass gegen Geflüchtete, selbst wenn sie wiederlegt werden

Gerüchte hinterlassen Spuren, auch wenn sie sich als falsch herausstellen. Wer die Macht falscher oder verkehrter Bilder illustrieren will, muss sich nur folgenden Satz vor Augen halten: „Der blaue Elefant hat nicht im Porzellanladen gewütet.“ Der Satz ruft prompt die Vorstellung vom tobenden Dickhäuter herbei, da das menschliche Gehirn Verneinungen nicht visualisieren kann. Dessen ist man sich etwa in der Psychotherapie und in Rhetorikschulen, aber auch in der Erziehungswissenschaft bewusst. Dort werden Klienten positive Formulierungen empfohlen. Nun werden seit Monaten Horrorgeschichten über Geflüchtete im Netz verbreitet, die angeblich allesamt Juden hassen, Frauen vergewaltigen und Supermärkte plündern. Nutzer übertrumpfen einander online mit Schauermärchen und Hasskommentaren. Auf Facebook und in Kommentarspalten gilt die Regel, dass der „gewinnt“, der am lautesten brüllt. Besonnenheit bringt einem Eintrag kaum „Gefällt mir“-Angaben. „Die Informations- und Meinungsvielfalt im Netz bedeutet keinesfalls automatisch mehr Verständigung“, sagt Sabrina Schmidt, die als wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Uni Erfurt forscht. „Im Gegenteil: Mitunter tragen Netzdiskurse durchaus zur Polarisierung und Radikalisierung bei.“ (Der Standard

Technik gegen Hass?

Aktuelle Studien lassen vermuten, dass die neue Dimension der Fehlinformation nicht nur gefühlt ist. Im Artikel geht es um Echo-Kammern und Algorithmen.  Doch was tun gegen Falschinformation und Hasskommentare im Netz?

Google programmierte seinen Ranking-Algorithmus so um, dass er Falschinformation bestraft: mutmaßlich falsche Inhalte sollen in der Suche erst weiter hinten auftauchen. Offen ist, wie gut das funktioniert.Können Computerprogramme Hasskommentare erkennen? „Schwierig“, sagt Anna Schmidt, Computerlinguistin der Uni Saarbrücken, die an dem Thema forscht. Entsprechende Programme verwenden unter anderem Stichwortlisten – sie suchen etwa nach Worten wie „umbringen“, „töten“ oder „sterben“. Aber solche Systeme liegen häufig daneben. Um nicht die Falschen zu treffen, müssten die Maschinen die inhaltliche Bedeutung von Sprache und den Kontext verstehen: Das ist noch zu komplex für die Algorithmen. „Inhalte automatisch zu löschen ist vielleicht auch nicht der richtige Weg“, fürchtet Schmidt: Die Gefahr des Missbrauchs sei groß. Wie bei allen Technologien könnte diese auch von den Falschen genutzt werden, von totalitären Regimes beispielsweise. Facebook hat sich lange widersetzt, wenn Behörden oder Politiker aufforderten, Hasskommentare zu löschen. Und genügt löschen überhaupt? „Radikale Gruppen nutzen soziale Medien extrem effektiv“, sagt Sasha Havlicek vom unabhängigen Londoner Thinktank Institute for Strategic Dialogue (ISD). Viele hätten eigene Websites aufgegeben und sich darauf beschränkt, in sozialen Netzwerken zu rekrutieren. „Inhalte zu löschen funktioniert in einer freien Gesellschaft nicht“, warnt Havlicek, „sie verbreiten sich trotzdem weiter.“ (Stuttgarter Zeitung, vgl. Interview mit Ingrid Brodnig)

Und hilft Counter Speech, das Konzept, das Facebook propagiert? Wissenschaftler sind uneins – aber es gibt auch keine gute Alternative (Die ZEIT).

Sascha Lobo sieht eine Schreispirale aus Provokationen, die von dem Mechanismen des Internets begünstigt wird (Spiegel Online). 

Hate Speech der Masse: Kopf ab, Rübe runter

Wie wird aus Wohlstandsbürgern ein Mob von Internet-Trollen? Der französische Soziologe Gustave Le Bon hat das schon vor 120 Jahren analysiert. Nicht erst „seit Köln“ herrscht in den sozialen Medien in Deutschland ein bedenklicher Ton. Menschen, die anderer Meinung sind, werden beleidigt, der Lüge bezichtigt oder bedroht. Wenn sie sich online nicht gerade über „Sozialschmarotzer“, „Rapefugees“ oder „Verschwulung“ ereifern, posten sie bei Facebook Bilder vom neuen Rennrad oder vom Urlaub in Gran Canaria. Wie kann es sein, dass BRD-Normalos sich im Internet zu einer Art Online-Lynchmob zusammenschließen? (taz

Facebook-Chef Mark Zuckerberg in Berlin: „Hasskommentare haben keinen Platz bei Facebook“

Ende Februar besucht Facebook-Chef Mark Zuckerberg Berlin und bekräftigt in einer Fragerunde:  „Hasskommentare haben keinen Platz bei Facebook.“ Zuckerberg stellte aber fest, das Unternehmen habe dabei lange keinen guten Job gemacht. „Wir sind nicht perfekt“, gibt er zu, verweist aber gleich auf die 200 Mitarbeiter der Bertelsmann-Tochter Arvato, die sich in Berlin mittlerweile darum kümmern. Zuckerberg sieht es als die Aufgabe von Facebook, bestimmte Gruppen zu schützen. Und in Deutschland seien dies seit einiger Zeit vor allem Flüchtlinge. Und dann war da ja noch dieses Gespräch mit Deutschlands „Premierministerin“ Angela Merkel. Die Kanzlerin hatte Zuckerberg während eines UN-Treffens auf das Problem mit den Hasskommentaren angesprochen, „das hat mir sehr geholfen“ (Berliner Morgenpost). Zwei deutsche Anwälte glauben dies offenbar nicht und haben Strafanzeige gegen Mark Zuckerberg gestellt. Sie werfen dem Facebook-Chef vor, sich der Beihilfe zur Volksverhetzung schuldig gemacht zu haben. Außerdem haben sie ein Bußgeld in Höhe von 150 Millionen Euro gegen Facebook beantragt (Süddeutsche Zeitung).

 

4. Counter Speech

 

Klartext aus medizinischer Sicht

Tausende reagieren bei Facebook bewegt: Der  Arzt Raphael Lindemann schildert seine „ungefilterte“ Wahrheit über Flüchtlinge aus einem Erstaufnahmelager und räumt mit einigen rassistischen Klischees über Geflüchtete auf (Rheinische Post, Originalposting bei Facebook). 

Hoaxmap: Diese Karte entlarvt Gerüchte über Flüchtlinge

Asylbewerber rauben, morden und vergewaltigen? Die „Hoaxmap“ zeigt, wo und wie Falschmeldungen in Umlauf kommen – und wie sie sich weiter verbreiten. Bericht in der Süddeutschen Zeitung, die Hoaxmap selbst ist hier: http://hoaxmap.org/ 

Cyberaktivist_innen mit Coup gegen „Asyl-Kritiker_innen“

Internetaktivisten aus dem Havelland haben den Asyl-Gegnern ein Schnippchen geschlagen: Zwei flüchtlingsfeindliche, vermeintliche Bürgerbündnis-Seiten sind seit Dienstag um 12 Uhr auf die linke Tageszeitung „Neues Deutschland“ umgeleitet, Schlagwort „Nazi“. Hinter der Aktion stecken die „Freunde der toten Kinder“, ein Zusammenschluss von Künstlern, und die Zeitung selber. Umgeleitet wurden zwei Seiten des „Bürgerbündnisses Deutschland“ (maz-online). 

RIP „Odin“ – Wie Dortmunder Neonazis einen erschossenen Hund für ihre PR nutzen – und wie das Netz reagiert

In Dortmund fand eine größere Razzia gegen Neonazis statt. Am nächsten Tag demonstrieren 150 Neonazis in Dortmund-Dorstfeld: Wegen Pitbull Odin: Bei einer der Hausdurchsuchungen am Vortag erschossen SEK-Beamte den Hund. „R.I.F“ (Ruhe in Frieden) und „Wir werden für dich weiterkämpfen“ steht neben dem Konterfei des Hundes auf Papierzetteln, die einige Frauen während der Demonstration hochhalten. Eine Gruppe rund um Melanie Dittmer, Organisatorin des Düsseldorfer Pegida-Ablegers, trägt ein Transparent mit der Aufschrift „Heute Hunde, morgen Menschen – Polizei NRW“ (Vice). Mobilisiert wurde über Soziale Netzwerke. Die reagieren mit einer falschen Kondolenzsseite und Spott – und ärgern die Nazis dadurch maßlos (Spiegel Online). 

Plakat-Generator verspottet die Wahlparolen der AfD

Jan Böhmermann und seine Late-Night-Show „Neo Magazin Royale“ haben eine neue Spott-Aktion gegen die „Alternative für Deutschland“ gestartet. Mit einem Generator kann sich jetzt jeder sein eigenes Satire-Wahlplakat im AfD-Design erstellen. Auf einer Website kann jeder User sein eigenes Foto auf ein virtuelles Plakat im AfD-Stil laden und Wahlkampfparolen à la Frauke Petry mit sinnlosen, aber empörten Forderungen hinzufügen: „Ballaballa, ARD auf 2, ZDF auf 1. Meine Meinung! Durchfallfans für Deutschland.“ Das Ganze unterschrieben mit „Dustin Göring – Bundesbarista mit besonderen Aufgaben (mit Kakaolizenz)“ (Berliner Zeitung

„Bin ein strohdummer Nazi“: So genial enttarnte Anonymous rechte Hetzer auf Facebook

Als das Foto eines angeblichen Handy-Gutscheins für Flüchtlinge im Internet auftauchte, war das ein gefundenes Fressen für die Wutbürger. Fleißig teilten sie das Bild auf ihren Timelines – doch plötzlich veränderte sich der Inhalt: „Ich bin ein strohdummer Nazi. Ich verbreite Hetze über das Internet und teile sämtlichen Dreck ohne Überprüfungen!“ Hinter der Aktion sollen Hacker der Anonymous-Bewegung stehen (stern.de

Der Hass meiner „Freunde“

Was tun, wenn die Facebook-Freunde rassistische Hasskommentare posten? Sie ignorieren, entfernen oder mit ihnen diskutieren? Die Antwort darauf ist schwer, meint ZiSH-Autor Manuel Behrens. Eine Geschichte über Hass, der ihn wütend gemacht hat (HAZImpact.ag

Wie ein Facebook-Nutzer gegen Rassismus kämpfte – und gesperrt wurde

Ein Jahr argumentierte er mit Fakten gegen Vorurteile – so wie Facebook es sich eigentlich wünscht. Warum er gesperrt wurde, verrät ihm das Unternehmen nicht. Als Jan eines Abends seinen Facebook-Account öffnen wollte, fand er sich an seinem Laptop in einen hilflosen Nutzer verwandelt. Eigentlich müsste Facebook Jan dankbar sein – oder ihm zumindest das Leben nicht unnötig schwer machen. Aber stattdessen hat ihn das Netzwerk Anfang Februar ausgesperrt. Einloggen konnte er sich noch, durfte aber nicht mehr aktiv werden: keine Likes verteilen, keine Kommentare schreiben, keine Nachrichten beantworten. Der Fall zeigt, warum die Hatespeech-Debatte ein Problem für Facebook ist: Engagierte Nutzer wenden sich frustriert ab, weil sie sich alleingelassen fühlen (Süddeutsche Zeitung).

Auch die Monitoring-Facebook-Seite „Perlen aus Freital“ wurde kurzzeitig gesperrt. Es läuft also noch nicht rund bei Meldungen auf Facebook (Tagesspiegel). 

Ringen um die Netzhoheit: Junge Muslim_innen wehren sich gegen dschihadistische Propaganda

 Hatespeech und Hasspropaganda nehmen zu im Internet. Das gilt auch für menschenverachtende und zur Gewalt aufrufende Positionen, die unter Bezug auf „den Islam“ begründet werden. Wie kann man in der pädagogischen Arbeit darauf reagieren? In einem neuen Video zeigen i,Slam und Sami El – Islamische Gedichte zwei Wege auf, wie sie mit Hassbotschaften und Gewaltaufrufen im Namen des Islams umgehen: mit Comedy und mit ernsthafter religiöser Argumentation (ufuq.de

6. Nazis und Rechtspopulist_innen im Netz 

Pegida auf Facebook: Hetze im Sekundentakt

Seit mehr als einem Jahr demonstrieren Frustrierte und Rechte, die sich „Patriotische Europäer“ nennen – in Dresden und im Internet. Um herauszufinden, wer die Anhänger von Pegida sind und was sie umtreibt, hat die Süddeutsche Zeitung alle Kommentare und Posts gesammelt, die zwischen 28. Dezember 2014 und 31. Dezember 2015 auf der Facebook-Seite von Pegida veröffentlicht wurden. Eine quantitative Analyse zeigt, wie dramatisch Pegida an Relevanz verlor – bis die Flüchtlingskrise die Bewegung gerettet hat. Wir lernen außerdem:

Rund 200.000 Menschen folgen der Pegida-Facebook-Seite (Dez. 2015)User sind sehr aktiv: Rekordmonat war Januar 2015: 76.000 Kommentare von 25.000 Kommentierenden, 84.000 Shares. Bis zu 4.000 Kommentare täglich.90 % der Nutzer konsumieren Nachrichten, 9 % interagieren, 1 % verfasst selbst InhalteDer Hamburger Politikberater und Blogger Martin Fuchs: „Pegida überhaupt kein Interesse an Diskurs und Austausch von Argumenten hat. Sie kritisieren und stellen Forderungen auf, aber Diskussionen mit Andersdenkenden gehen sie seit der Gründung aus dem Weg.“Höhepunkt der Interaktionen: September 2015 – die 108.000 geteilte Inhalte. Warum? Anstieg der Geflüchteten-Zahlen.300 Facebook-Pegida-Fans haben mindestens 100 Kommentare veröffentlicht haben.In Worten kommen „Deutschland“ und „Pegida“ am meisten vor; ab Mitte des Jahres Angela Merkel (hier gern „IM Erika“) und Flüchtlinge.Thematisch sprechen sie über: 1. Pegida und ihre Gegner, 2. Politik der etablierten Parteien, 3. Flüchtlinge und Migrant_innen, 4. Islam, 5. Medien, 6. Welterklärungen, 7. Zukunftserwartungen, 8. Meinungsfreiheit, 9. Vorgehen anderer Länder.

Quelle: Süddeutsche Zeitung; Zusammenfassung auf Netz-gegen-Nazis.de 

Freier Eintritt für Flüchtlinge: Museum in Hessen wird mit Hass-Mails überschüttet

Das Freilichtmuseum Hessenpark gewährt Flüchtlingen (seit Monaten) freien Eintritt, um ihnen die Möglichkeit zu geben, die Kultur der Region kennenzulernen. Doch statt Zuspruch ernten die Verantwortlichen seit einigen Tagen Kritik und eine Flut von Hass-Mails. Mehr als 1300 Kommentare gibt es auf Facebook. Sie kommen allerdings nicht von Besucher_innen des Museums (Rheinische PostDie WeltSpiegel Online).

Facebook als Teil der „Systempresse“: Rechte machen russisches Network VK.com zum Nazi-Netz

Facebook intensiviert seine Arbeit gegen Hass im Netz und macht es auch Anhängern von rechten Gruppen schwerer, ihre braune Gesinnung im Web zu verbreiten. Die steigen offenbar um. Wie ein BR-Journalist recherchierte, machen Rechte neuerdings eine hierzulande wenig bekannte Plattform zum Nazi-Netz: das russische Network VK.com, das im deutschen Traffic-Ranking bereits knapp hinter Xing liegt (MeediaBRDeutschlandfunk)

 

Braun, digital, vernetzt. Der schwierige Kampf gegen Nazis im Netz

Weltnetz, Heimatseite, E-Brief – was lustig übersetzt klingt, ist wohldurchdacht, ernst gemeint und vor allem: mit braunem Gedankengut durchzogen. Rechtsradikale Webseiten, Foren und Netzwerke benutzen zwar oft ihre eigene Sprache, bleiben aber nicht der einzige Ort im Netz, an dem Nazis kommunizieren. Doch wie kommunizieren Nazis digital? Wo organisieren sie sich? Auf welche Art und Weise verbreiten sie ihre Botschaften? Das wollte die Sendung „Breitband“ vom Deutschlandradio Kultur wissen und sprach dazu mit den Fachjournalist_innen Simone Rafael (Netz gegen Nazis), Felix M. Steiner (u.a. publikative.org, Störungsmelder) und Hans Hütt (u.a. ZEIT, Freitag, FAZ).Also: 1 Stunde BTN zum Hören

 

 

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