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Angriff mit Ansage – Rechte Hooligans verwüsten Leipziger Stadtteil Connewitz

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In wenigen Minuten zerstörten etwa 250 rechte Hooligans im Leipziger Stadtteil zahlreiche Geschäfte, auch Passanten wurden angegriffen und eine Dachgeschosswohnung ging in Flammen auf. Seit der Pogromnacht 1938 gab es in Leipzig keinen derart massiven Angriff. (Quelle: Flickr.com // CC // De Havilland)

Die Wolfgang-Heinze-Straße gleicht noch in der Nacht einem Kriegsschauplatz. Zum Jahrestag des islamfeindlichen „Pegida“-Ablegers „Legida“ haben 250 rechte Hooligans die Straße im linken Szeneviertel Connewitz zahlreiche Ziele angegriffen. Sie zerstörten Schaufensterscheiben von Läden und Gaststätten, griffen PassantInnen an, drangen in ein Restaurant ein und setzten eine Dachgeschosswohnung in Brand. Eines der ersten Ziele des offensichtlich geplanten Angriffs war der Vereinsladen vom „Roten Stern Leipzig“, einem linken Fußballclub der Messestadt. Polizeisprecher Andreas Loepki unterschätzte am Abend den Angriff wohl deshalb als „Fußballrivalität“, die Angreifer stammen aus dem Umfeld von „Lokomotive Leipzig“ und dem „Halleschen FC“. Beide Vereine verbinden eine Fanfreundschaft und die politische Ausrichtung großer Teile der Anhängerschaft weit nach rechts.

„Die Taten erfüllten in Gänze den Tatbestand des schweren Landfriedensbruchs, wobei die Gruppierung durch Einsatzkräfte kurze Zeit später fast vollständig festgesetzt werden konnte. Die 211 Personen waren zu einem nicht unerheblichen Teil bereits als ´rechtsmotiviert´ und/oder ´Gewalttäter Sport´ aktenkundig sowie aufgrund mitgeführter Utensilien dem Fußballfanklientel zuzuordnen“, erklärte Loepki noch in der Nacht in einer Pressemitteilung.

Bei „Legida“ blieb es laut Polizeiangaben weitestgehend friedlich. Trotz des Aufrufs an die Verbündeten in Chemnitz (Cegida) und Dresden (Pegida) versammelten sich nur 3.400 Menschen zum gemeinsamen Jahrestag. Lutz Bachmann und Tatjana Festerling gaben sich ein Stell-Dich-Ein. Festerling rief in ihrer Rede, die Anhänger sollten zu Mistgabeln zu greifen und, wie sie sich ausdrückte, die „volksverratenden Eliten“ unter anderem aus den Pressehäusern zu prügeln (Video dazu auf Facebook bei AfD-Watch). Einer Journalistin des MDR geschah dies gleich vor Ort: Ihr wurde das Mobiltelefon aus der Hand geschlagen, mit dem sie Fotos machte. Dann folgte ein Schlag ins Gesicht: Die Täterin: Eine ältere Frau, weißhaarig und mit Brille (Interview dazu im Tagesspiegel)

Als Stargast eroberte Hannes Ostendorf die Bühne, er ist Sänger der rechten Hooliganband „Kategorie C“ und gab zur Akustikgitarre den Song „Leipzig gegen Salafisten“ zum Besten. Ostendorf heizte mit seiner Musik schon die Demonstrationen der Hooligans gegen Salafisten an. Wenige Stunden zuvor war eine parallel geplante Veranstaltung der rechten „Offensive für Deutschland“ (OfD) von Ex-Legida-Organisator und Fußballhooligan Silvio Rösler abgesagt wurden. Via Facebook rief die OfD ihre AnhängerInnen dazu auf, an der „Legida“-Veranstaltung teilzunehmen.

Ausschreitungen mit Ansage

Während sich 2.800 GegendemonstrantInnen bei den „No Legida“-Veranstaltungen versammelten, begaben sich 250 Hooligans auf den Weg nach Connewitz. Mit sich führten sie ein Plakat der Aktion „Leipzig bleibt helle“, die sich unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) mit einer Lichterkette um die Leipziger Innenstadt gegen die Ideologie der Legida-Demonstration richtete.  

Die vom Verfassungsschutz beobachtete „Brigade Halle“ rief öffentlich zur Gewalt in Leipzig auf. (Quelle: Störungsmelder)

Dass es am 11.01. in Leipzig zu rechten Ausschreitungen kommen könnte, war nach dem im Dezember missglückten „Sturm auf Connewitz“ der Partei „Die Rechte“ zu erwarten. Via Facebook versprach auch die „Freie Kameradschaft Dresden“ eine „Überraschung“ am Abend der „Legida“-Demonstrationen an, wie das Onlinemagazin Alternative Dresden News berichtet. Auf Twitter kündigte die vom Verfassungsschutz beobachtete Nazigruppe „Brigade Halle“ einen „Sturm auf Leipzig“ an. Schon im Dezember hatten Nazis und Rechte eine Sterndemonstration in dem links geprägten Leipziger Süden geplant. Parallel sollten drei Demonstrationen die von der Partei „Die Rechte“, „Anne aus Meißen“, einem ehemaligen Mitglied der rechtsextremen Initiative „Heimatschutz Meißen“, und von Silvio Rösler angemeldet wurden, laufen. Schließlich wurde aber nur eine kurze Route durch die Leipziger Südvorstadt genehmigt. „Zwischen „Legida“und zahlreichen rassistischen Aufmärschen scheinen insbesondere DIE RECHTE und die ´Offensive für Deutschland´ um die Relevanz zu ringen, die ihr bisher versagt bleibt“, erklärte Landtagsabgeordnete Juliane Nagel (Die Linke) dazu.

Timo Reinfrank ist Geschäftsführer der Amadeu Antonio Stiftung und gut mit den Verhältnissen in Sachsen vertraut. Die Stiftung arbeitet unter anderem in Sachsen gegen Rechtsextremismus und zur Demokratieförderung. „Es ist mir unklar, warum ein Angriff mit Ansage und solchen Ausmaßes in Sachsen nicht verhindert werden konnte. Besonders, da sich das Land ein Operatives Abwehrzentrum der Polizei mit Sitz in Leipzig leistet, welches auf rechtsextreme Straftaten spezialisiert ist.“ Das Operative Abwehrzentrum ist mit dem Sächsischen Verfassungsschutz verzahnt, dem die oben genannten Aufrufe zur Gewalt in Leipzig nicht entgangen sein sollten.

Unklar, wie hoch Schaden und Verletztenzahlen sind

Am Morgen nach dem Angriff ist man in Leipzig-Connewitz damit beschäftigt, die Scherben aufzukehren. In der Leipziger Volkszeitung berichten Augenzeugen von der Nacht. David und Steffen haben die Randale miterlebt, hielten sie erst für eine linke Spontandemonstration, bis sie sahen, dass sich ihnen Hooligans mit Hass-Masken in Farben von „Lok Leipzig“ näherten, der Verein ist für seine rechte Anhängerschaft bekannt. Zunächst zogen die mit Autos angereisten Hooligans schweigend über die Straße, nach wenigen Hundert Metern erreichten sie vom Verkehrsknotenpunkt Connewitzer Kreuz aus ihr erstes Ziel  in der Wolfgang-Heinze-Straße. „Die begannen jetzt, komplett alle Fenster der Straße einzuwerfen und einzuschlagen. Fünf oder sechs von denen sind auch in den Imbiss ‚Shahia‘ rein. Als dann dort noch Bänke und Stühle aus den zerstörten Fenstern hinausflogen, wusste ich, jetzt muss ich weg „, erzählt David in der LVZ. Neben dem arabischen Restaurant Shahia gingen unter anderem auch Scheiben im Vereinsladen des Fußballvereins Roter Stern Leipzig, im Waschsalon, in den Bars „Könich Heinz“, „Bill Hart“ und „Goldfisch“ sowie beim Augenoptiker Staske zu Bruch. „Als die Gruppe dann in die Auerbachstraße direkt vor dem Kreuz einbog, kamen etwa 20 bis 30 Polizisten und versuchten den Mob einzukesseln. Die waren aber natürlich absolut in der Unterzahl. Einige der Hooligans konnten über die Hinterhöfe noch entkommen, aber einen Großteil bekamen die Polizisten trotzdem unter Kontrolle“, erzählen die Zeugen weiter. Mit Gefangenentransportern und einem Linienbus transportierte die Polizei schließlich 211 Angreifer zur Identitätsfeststellung ab.

Nicht bestätigen ließ sich die Meldung der BILD-Zeitung, nach der im weiter entfernten Stadtteil Plagwitz ebenfalls eine Gruppe von 50 rechten Hooligans von der Polizei festgesetzt worden sei. Die Nacht blieb in Leipzig dann auch ruhig, die Polizei setzte zahlreiche Sicherheitskräfte ein und riegelte den Stadtteil weitestgehend ab. Trotzdem setzten Unbekannte noch einige Mülltonnen in Brand.

In der Nacht riegelte die Polizei Connewitz hermetisch ab. (Quelle: Flickr.com // CC // De Havilland)

Amadeu Antonio Stiftung und Roter Stern Leipzig rufen zu Spenden auf

Unklar bleibt auch die Zahl der Verletzten und die Höhe des Sachschadens. Als der Angriff der Hooligans begann, konnten sich Augenzeugenberichten zufolge zahlreiche PassantInnen in umliegende Bars und Geschäfte retten. Die Hooligans scheinen nur in das Shahia Restaurant eingedrungen zu sein. Die Vereinsräume des „Roten Stern Leipzig“ waren aufgrund vergangener Angriffe besser geschützt, die Fenster baulich verstärkt worden. Gemeinsam mit der Amadeu Antonio Stiftung ruft der Verein nun zur Spendensammlung für die Betroffenen der Attacken auf. AAS-Geschäftsführer Timo Reinfrank zeigt sich gegenüber Fussball-gegen-nazis.de geschockt: „Durch die gestrigen Angriffe auf die belebten Geschäfte in Connewitz und den Brand in einem bewohnten Haus sind Menschen zu Schaden gekommen. Connewitz ist alternativ und migrantisch geprägt, die Attacken haben damit eine hohe Signalwirkung. Unsere Sorge und Unterstützung gilt nun den Betroffenen.“ Stadthistoriker Sascha Lange bezeichnete den Angriff als den massivsten seit der Pogromnacht im November 1938.

Die sächsische Landtagsfraktion der Linken hat nach den Hooligan-Krawallen von Leipzig die CDU aufgefordert, das Thema rechte Gewalt auf die Tagesordnung zu nehmen. Jahrelang habe die Union ein verengtes Bild von Heimat in Sachsen zelebriert und alternative Szenen wie im Leipziger Stadtteil Connewitz als Feindbild abgestempelt, erklärte Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt. „Auf dem Wohn- und Lebensumfeld dieser Menschen trampeln nun Hooligans, deren Verflechtungen mit Nazi-Strukturen bekannt sind, mit Gewalt und Zerstörungswut herum.“

 

Laut Pressemitteilung zur Spendenaktion sollen diese an die Läden und Geschäfte gehen, die direkte Schäden (Schaufenster, Inneneinrichtung usw.) zu begleichen haben, insbesondere jene ohne Versicherungsschutz. Spenden können Sie unter:

Opferfonds CURA der Amadeu Antonio Stiftung, Stichwort: Leipzig
GLS Bank Bochum
IBAN: DE75 4306 0967 6005 0000 02
BIC: GENODEM1GLS

 

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