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Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD

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Ausschnitt aus dem Titelbild der Broschüre „Nachfragen, Klarstellen, Grenzen setzen – Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“ der Amadeu Antonio Stiftung (Quelle: Amadeu Antonio Stiftung)

Dieser Text ist ein Auszug aus der Handreichung „Nachfragen, Klarstellen, Grenzen setzen – Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“ der Amadeu Antonio Stiftung (Download-Link unten).

Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) fordert aktuell die politischen Machtverhältnisse heraus. Durch die zweistelligen Ergebnisse bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz und den Einzug als zweitstärkste Fraktion in Sachsen-Anhalt erhöht sich das politische Gewicht der AfD sprunghaft. Zuvor konnten schon im Zuge der Wahlen in Brandenburg, Bremen, Hamburg, Sachsen und Thüringen erste Sitze in den Landtagen gesichert werden. Somit ist die politische Mitsprache der AfD in diesen Bundesländern bereits demokratisch gesetzt. Auch für die verbleibenden Landtagswahlen lassen Prognosen weitere Stimmenzuwächse erwarten. In Anbetracht der zurückliegenden AfD-Wahlkämpfe und des Auftretens von Parteivertreter_innen sehen sich viele Menschen mit einem Problem konfrontiert: Wie soll eine Auseinandersetzung mit einer Partei erfolgen, deren Mitglieder Positionen vertreten, die von konservativ, populistisch bis hin zu offen rechtsextrem changieren? Vor allem Politiker_innen, Journalist_innen und Pädagog_innen müssen in ihrem Arbeitsumfeld auf die AfD reagieren.

Was ist an der AfD problematisch?

Als junge Partei, die sich in permanenten Umbrüchen befindet, ist die AfD insgesamt schwer zu fassen und noch schwerer zu bewerten. Ihrer Politik nach ist sie eine Partei, die rassistische und menschenfeindliche Ressentiments bedient und dazu beiträgt, Hetze und Abwertung von Menschen zu normalisieren. Die Wahlerfolge der AfD verändern das demokratische System Deutschlands schon jetzt. Deshalb ist es auch jetzt nötig, sich mit ihrer Politik auseinanderzusetzen und Strategien für den Umgang zu erarbeiten. Ein weiteres Risiko ist ein allgemeiner Trend hin zu populistisch geführten politischen Debatten. Bisher wurde dem Rechtspopulismus der Partei oft nicht entschieden und nicht fundiert genug entgegengetreten. Dies aber müssen Politik und Medien leisten, um die scheinbar »einfachen Lösungen« erfolgreich zu demaskieren. Wähler_innen der Partei sollte klar sein, welches politische Programm sie mit ihrer Stimme befürworten. Dies gilt insbesondere für Positionen abseits der Flüchtlingsthematik. Menschenfeindliche Haltungen müssen wir benennen – und uns klar davon abgrenzen. Andere Parteien dürfen keinen Zweifel darüber entstehen lassen, dass sie menschenverachtende und diskriminierende Äußerungen aus der AfD verurteilen. PS.: Vgl. auch: AfD-Bundesparteitag 2016: Das wurde beschlossen im neuen Grundsatzprogramm

Opferinszenierung

Die AfD knüpft an die Opferinszenierung von PEGIDA an. In den mittlerweile schon eingeschworenen Rufen über die »Lügenpresse« sieht sich die Partei als einzige politische Kraft, die sich dem selbst formulierten Denkverbot widersetzt, und inszeniert sich darüber als Opfer von Medien und Politik, die angeblich (links) ideologisch motiviert über die Partei berichten beziehungsweise sprechen. Das ist vor allem deswegen bemerkenswert, weil kaum eine Partei über eine derartig überdurchschnittliche und anhaltende Medienpräsenz verfügt wie die AfD. Diese Inszenierung als Opfer des »Systems« folgt einer einfachen Taktik: Sie erzeugt ein »wir gegen die«-Gefühl. Der derzeitige Versuch demokratischer Parteien, durch sprachliches »Aufrüsten« und immer noch radikalere Forderungen der AfD das Wählerpotenzial abzugraben, folgt einem Trugschluss. Denn: Wer rechts wählt, der wählt das Original. Das subjektive Unsicherheitsgefühl und die Abstiegsängste dieser Wähler_innenschaft werden sich immer wieder durch die AfD-Programmatik katalysieren lassen.

Eine Partei, viele politische Nuancen

Eine Verortung der Partei als Ganzes innerhalb des politischen Spektrums gestaltet sich schwierig. Ein Grund dafür ist das länderspezifische Auftreten der Partei. So finden sich beispielsweise große Unterschiede in der Selbstinszenierung der AfD im Zuge der zurückliegenden Landtagswahlen in Sachsen-Anhalt und Baden-Württemberg. Die eher ressourcenschwache AfD in Sachsen-Anhalt führte einen offensiven Wahlkampf, in dem sie sich als »Bewegungspartei« stilisierte und vorhandene Unzufriedenheitund Empörung der Bevölkerung für ihre Zwecke mobilisierte. In Baden-Württemberg entschied sich die dort deutlich professioneller ausgestattete AfD hingegen dafür, den Wahlkampf auf wenige seriöse Spitzenkandidat_innen zu fokussieren und radikalere Forderungen und Parteimitglieder in die zweite Reihe zu stellen. Auch in den Landesparteiprogrammen wird deutlich, wie sich die AfD an die jeweiligen regionalen Verhältnisse anpasst, unterschiedliche Schwerpunkte setzt und den Grad an radikalen Forderungen zweckgebunden variiert. Auf Bundesebene ist sie dadurch umso schwerer zu fassen.

Das Verhältnis der AfD zur Demokratie

Die AfD sieht sich selbst als demokratische Partei. Nach innen und außen vertritt sie die Forderung nach Direkter Demokratie. Ihrer verschwörungsideologischen Ansicht nach herrscht »eine kleine, machtvolle politische Führungsgruppe innerhalb der Parteien«, der ein geeinter Gemeinwohlwille des Volkes entgegengesetzt werden soll. Die repräsentative Demokratie der Bundesrepublik Deutschland hält der Bundesvorstand der AfD für besonders anfällig für »macht- und interessengetriebene Entscheidungen«. Zwar gibt die Partei vor, grundgesetzlich verbürgte Minderheitenrechte schützen zu wollen, letztlich sieht sie sich jedoch als Vertreterin einer als deutsch definierten, unterdrückten Mehrheit.

Demokratie ist für die AfD vornehmlich die Herrschaft der Mehrheit über alle. Sie glaubt, eine Mehrheit der Deutschen werde von Eliten politisch unterdrückt, so dass sie ihre – zum Teil rassistischen und chauvinistischen – politischen Wünsche nicht verwirklichen können. Kritik rechtspopulistischer Akteure richtet sich im Kern vielfach gegen die liberale Demokratie: Für sie sind die Unabhängigkeit von Medien und Gerichten nachrangig, grundsätzliche Verfahrensweisen liberal-pluralistischer Demokratien werden infrage gestellt, wie hier auch ein Interessenausgleich auf nationaler oder internationaler Ebene. Der geeinte Volkswille soll schließlich in der Direkten Demokratie alle Widersprüche zum Schweigen bringen. Welche Art »Volksmehrheit« von diesen Versprechungen der AfD angetan ist, zeigt sich in den sozialen Netzwerken. Anhänger_innen projizieren ihre demokratiefernen und -feindlichen Herrschaftsphantasien auf die Partei, innerhalb derer sich viele bereitwillig als Projektionsfläche zur Verfügung stellen. Minderheiten haben innerhalb dieser Vorstellung von Demokratie mehr zu befürchten als zu erhoffen.

Ist die AfD rechtspopulistisch?

Vielfach wird die noch junge Partei als rechtspopulistisch beschrieben. Was ist damit gemeint? Populismus charakterisiert eine Anti-Establishment-Haltung, die einer konstruierten Elite ein ebenfalls konstruiertes »Volk« entgegensetzt. Als rechtspopulistisch werden Gruppierungen bezeichnet, die sich auf einen rassistischen, kulturalistischen oder nationalistischen Volksbegriff stützen und Ungleichwertigkeitsvorstellungen gegen vermeintlich Nicht-Zugehörige formulieren. Darüber hinaus bezeichnet Rechtspopulismus eine strategische Option des Rechtsextremismus, die sich demokratischer Mittel bedient, um an gesellschaftliche Debatten anzuschließen, und sich als legitime politische Position unter vielen präsentiert. Provokationen sind kalkuliert und Teil einer Strategie, durch die eine Verschiebung der Grenzen des Sagbaren erreicht werden soll. Wenn rassistische Abwertungen als »Asylkritik« verharmlost werden, ist eine solche Grenzverschiebung etwa bereits gelungen. Diese Kommunikationsstrategie ist bereits von der rechtsextremen Strömung der »Neuen Rechten« erprobt. Ziel ist es, eine kulturelle Hegemonie zu erreichen und eine autoritäre Gesellschaftsordnung zu errichten. Die Partei Alternative für Deutschland kann also in diesem Sinne als rechtspopulistisch bezeichnet werden.

Innerhalb der AfD existiert zudem eine für rechtsextreme Positionen offene Strömung, die durch den Austritt der Mitglieder des Flügels um Bernd Lucke und Hans-Olaf Henkel gestärkt wurde. Mitglieder und führende Politiker_innen der AfD unterhalten enge Verbindungen zu den deutschen Vertreter_innen der »Neuen Rechten«, welche die Politiker_innen der AfD wiederum als Chance für die Umsetzung ihrer rechtsextremen Politik begreifen und publizistisch unterstützen. Innerhalb der AfD wird dieser sich ausweitenden, dem Rechtsextremismus gegenüber offenen Strömung kaum oder kein qualifizierter Widerspruch entgegengesetzt. Dies kann als Schwäche bürgerlicher Strömungen der AfD gewertet werden – oder als strategische, stillschweigende Bestätigung rechtsextremer Positionen.

So kann die AfD nicht als eindeutig antisemitisch eingestuft werden. Durch ihre Inszenierung als neue Partei, die als einzige die Interessen des »Volkes« gegen das politische System, das Establishment, die Mächtigen und die »Lügenpresse« vertritt, bietet sie jedoch viele Identifikationsangebote an Personen mit einem antisemitischen Weltbild. Diese sind dementsprechend auch zahlreich in der Partei vertreten.

AfD und »Neue Rechte«

Die Alternative für Deutschland befindet sich im Jahr 2016 noch immer in ihrer Gründungsphase. Noch ringen verschiedene Strömungen, Flügel und Gruppierungen um die Hegemonie ihrer Positionen innerhalb der Partei. Es lässt sich feststellen, dass Teile der Partei offen mit der rechtsextremen Strömung der »Neuen Rechten« kooperieren (z. B. Mitglieder der Patriotischen Plattform oder der Gruppierung Der Flügel). Auch die »Neue Rechte« um beispielsweise das Institut für Staatspolitik, die Identitäre Bewegung oder das COMPACT Magazin bewirbt offensiv die AfD. Das Netzwerk zwischen Politiker_innen der AfD und Akteur_innen der »Neuen Rechten« kann auf dem von der Amadeu Antonio Stiftung geförderten Projekt Wiki der Neuen Rechten unter www.neue-rechte.net nachvollzogen und erweitert werden.

In diesem Zusammenhang kann auch die teilweise vorgebrachte Abgrenzung von Neonazis oder offen antisemitischen Positionen taktische Gründe haben. Dabei nutzen Vertreter_innen der Partei eine Widerstands-, Notwehr- und Untergangsrhetorik, die das gegenwärtige Klima von rasant steigenden rassistischen Übergriffen befördert. Das bürgerlich-konservative Image, das die AfD von sich verbreitet, macht die Partei so gefährlich. De facto delegitimieren Politiker_innen der Partei das politische System (»Altparteien«) und Medien (»Lügenpresse«), wodurch sich Teile der AfD außerhalb des pluralistischen Diskurses der Bundesrepublik positionieren. Die rhetorischen Provokationen müssen als Strategie erkannt werden, um Bürger_innen gegen das politische System der Bundesrepublik Deutschland aufzuwiegeln. Wenn die AfD als »normale« Rechtsaußen-Partei im Parteienspektrum akzeptiert wird, heißt das zu akzeptieren, dass menschenfeindliche Haltungen sich ausbreiten. Das ist nicht nur im Hinblick auf die unveräußerlichen Grundwerte einer demokratisch verfassten Gesellschaft äußerst bedenklich. Außerdem dürfen wir nicht vergessen, dass es beim Rechtspopulismus um mehr als die AfD geht, auch wenn diese gerade gemeinsam mit PEGIDA die Debatten dominiert. Der AfD und PEGIDA gelingt es zwar derzeit besonders erfolgreich, »besorgte  Bürger_innen« und Rechtsextreme gleichermaßen hinter sich zu versammeln. Die Partei fungiert so als Sammelbecken für rechtspopulistische Positionen verschiedener Zuspitzung. Die Positionen gibt es aber auch ohne die AfD und PEGIDA – sie müssen inhaltlich bearbeitet werden.

Ein pauschaler Ausschluss der Partei aus dem demokratischen Diskurs ist auf dieser Grundlage nicht möglich und soll auch nicht Ziel sein. Die AfD ist trotz ihrer Radikalisierung heterogen. Vor der Auseinandersetzung ist es wichtig, die Positionen der einzelnen Landesverbände und Politiker_innen zu analysieren, um die jeweils geeigneten Mittel zu wählen. Zugleich soll aufgezeigt werden, wann eine sachlich-konstruktive Debatte unter Beteiligung von Anhänger_innen und Politiker_innen der Partei nicht (mehr) zu führen ist. In diesem Sinne ist die folgende Übersicht von Handlungsoptionen als erste Hilfestellung gedacht.

Dieser Text ist ein Auszug aus der Handreichung „Nachfragen, Klarstellen, Grenzen setzen – Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD“ der Amadeu Antonio Stiftung, die im April 2016 erschien (Download PDF).

Alle Texte aus der Broschüre auf netz-gegen-nazis.de:

Handlungsempfehlungen zum Umgang mit der AfD – EinleitungWie umgehen mit der AfD? Allgemeine EmpfehlungenWie umgehen mit der AfD in Parlamenten und Kommunalvertretungen?Wie umgehen mit der AfD in den Medien?Wie umgehen mit der AfD in der pädagogischen Arbeit?Wie umgehen mit der AfD im schulischen Bereich? Mehr zur AfD auf netz-gegen-nazis.de

 

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