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Facebook-Seite „Keine Gnade für Kinderschänder“ – Neonazis beim Agitieren zusehen

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Wer könnte da schon nein sagen? Die Einladung zeigt ein buntes Bild einer lachenden Familie, dazu den harmlosen Slogan „Kinder sind Zukunft – stoppt Missbrauch an Kindern!“ Missbrauch an Kindern, das findet niemand gut. Fast 240.000 Leute sagten bisher auf Facebook: „Gefällt mir!“ Selbst wer sich darüber bewusst ist, dass Neonazis das Thema Kindesmissbrauch gern verwenden, um ihre Ideologie zu verbreiten, Rassismus zu schüren und Demagogie gegen die Demokratie zu verbreiten (siehe Artikel) – bei dieser Einladung fällt zunächst vor allem auf, dass sich die Initiatoren Mühe gegeben haben. Zu den 240.000 Zustimmenden kommen 63.000 Untentschlossene und rund 770.000 Antworten stehen noch aus. Da war jemand beim Einladen wirklich fleißig.

Initiatoren-Seite: „Keine Gnade für Kinderschänder“

Und wer das war, das verrät die Veranstaltungsseite auch: Die Facebook-Seite „Keine Gnade für Kinderschänder“. Die finden immer noch rund 30.500 Menschen gut. Obwohl sie schon im Titel eine Terminologie „Kinderschänder“ für Sexualstraftäter verwendet, die die Opfer herabsetzt und besonders gern von Neonazis verwendet wird.

Einmal nicht Nazi, zwei Mal schon.

Doch „Keine Gnade für Kinderschänder“, im Januar 2011 gegründet, gefällt nicht nur 30.500 Menschen – ihren im Dunkeln bleibenden Initiatorinnen und Initiatoren gefallen auch Dinge auf Facebook: Nämlich Frank Franz von der NPD Saarland und Holger Apfel von der NPD Sachsen. Könnte das Userinnen und Usern auffallen? Ja, aber dazu muss man die Herren erst einmal kennen.

Rechtsextremer Hit zum Thema: Liedermacherin Annett

Allerdings halten die Administratorinnen und Administratoren von „Keine Gnade für Kinderschänder“ auch sonst nicht mit ihrer Sympathie für die rechtsextreme Szene hinter dem Berg. Sie posten Bilder mit Links zu rechtsextremen Kameradschaftsseiten. Die enthalten dann natürlich auch den „klassischen“ rechtsextremen Slogan zum Thema, nämlich „Todesstrafe für Kinderschänder“. Die Verantwortlichen von „Keine Gnade für Kinderschänder“ posten Videos rechtsextremer Bands und Liedermacher wie Nordfront, Annett Müller und Fenrir – und dazwischen immer mal wieder eines von Pur, damit alles „normal“ wirkt. Ein paar Beiträge weiter wird die NPD-Frauenorganisation „Ring nationaler Frauen“ offen beworben.

Fotos von „Keine Gnade für Kinderschänder“: NPD- neben Kameradschaftspropaganda.

Und dann sind da die „Medienberichte“, die „Keine Gnade für Kinderschänder“ postet. Sie behaupten eine grausame Wirklichkeit: Wie viele Kinder, aber auch deutsche oder zumindest nicht-muslimische Frauen da vergewaltigt und missbraucht werden – und immerzu von migrantischen und/oder muslimischen Tätern! Gucken die Leserinnen und Leser der Seite auf die Quelle dieser Nachrichten? Das ist fast immer „DeutschlandEcho“. Ein rechtsextremer, wenn auch bewusst harmlos aufgemachter Blog (Artikel hier; hieß früher „Gesamtrechts“), der die Wirklichkeit darstellt, wie sie den Machern ins Weltbild passt. Wenn es etwa in Deutschland nicht genug Fälle dieser Art gibt, sucht man halt auf der ganzen Welt. Weitere Lieblingsthemen von „Deutschlandecho“, die „Keine Gnade für Kinderschänder“ gern postet: Hetze gegen die Grünen und dass diese Pädophilie guthießen – von Neonazis und NPD-Mitgliedern, die als Sexualstraftäter in Erscheinung getreten sind, liest man dagegen nichts.

Quellenlage: Der rechtsextreme Blog „Deutschlandecho“ (früher „Gesamtrechts“) informierte sich für diese Story bei seinem österreichischen Pendant „unzensuriert“

Den Neonazis beim Argumentieren zusehen

Der Rassismus der Postings wird auf der Facebook-Seite durchaus diskutiert. Spätestens wenn Redebeiträge von NPD-Sachsen-Chef Holger Apfel aus dem sächsischen Landtag lobend gepostet werden, werden denn auch weitere Anhängerinnen und Anhänger der Seite hellhörig. So schreibt etwa „Keine Gnade für Kinderschänder“ am 04. Juli 2001: „?Holger Apfel setzt sich als Politiker im Landtag von Sachsen konsequent gegen Kindesmissbrauch ein!
Alle anderen Parteien lehnen seine Anträge zum Schutz unserer Kinder jedoch ausnahmslos ab.
Unterstützt Holger Apfel, indem ihr auf seine Facebook-Seite geht und dort oben auf „gefällt mir“ klickt, denn NUR mit viel Unterstützung kann er die Anträge zum Schutz unserer Kinder vielleicht durchsetzen!

Das kommentiert eine Userin: „ich bekomme immer mehr den eindruck das ihr rechts eingestellt seit! Dieser politiker bewirkt auf eine art etwas u auf der anderen hinterlässt er dreckige spurren! Ihr macht hir öffter werbung für irgendwelche dinge die man tun soll, die sehr suspekt sind.. Also wen ihr euren ruf nicht zerstören wollt dann hört mal bitte auf damit. Mein eindruck wird immer schlechter u ich bin absolut gegen kindesmissbrauch.“ (Fehler im Original). Sie googelt dann auch Holger Apfel und kommt zu dem Schluss, er tue viele „schlechte Dinge“.

Eine andere Userin steigt ein: „Was denn für schlechte Dinge?“ Die Seitenadministratoren versuchen zu schlichten. Hier kann jeder den Neonazis beim Argumentieren zugucken. Die eiern herum, natürlich meinen sie alle Kinder, nicht nur deutsche. Christina stellt derweil fest: „apfel, stellt sich gegen ausländer..beleidigt sie und war auch schon in andere dinge verwikellt! Dann heisst es für alle kinder denen wir helfen?“ „Keine Gnade für Kinderschänder“ quatscht dazwischen: Sie seien doch nicht „(…) gegen DIE Ausländer? Nein, das ist falsch. Gegen ungebremste Einwanderung aus kulturfremden Ländern, niemand hat dort etwas gegen bspw. den japanischen Wissenschaftler o.ä. – das kann man nicht verallgemeinern. Am besten, du informierst dich direkt auf der Homepage oder so, da steht es auch.“ Die Userin hat aber genug: „Ok ich goggle das am Besten mal,weil es mich zu sehr verwirrt! Danke.

Allerdings gehen die zahlreichen Diskussionen auf der Seite nicht immer so aus. So schreibt etwa „Nadine“: „Muss jetzt echt mal was los werden..all die Menschen,die hier von rechtsextremismus reden,sollten mal ihren Kopf einschalten.Denn wenn RECHTSEXTREMISMUS bedeutet,daß zuerst an das Wohl und den Schutz der Kinder gedacht werden soll,sind wohl 99% aller Eltern Rechtsextremisten!“ Auch wenn User meinen, nur die NPD nehme sich des Themas an, ernten sie viel Zustimmung. Es lässt sich in der Gruppe mitlesen: Der Meinungsfang unter den unpolitischen Menschen funktioniert in dieser Gruppe. Plötzlich lesen die NPD-Papiere – obwohl sie das sonst niemals getan hätten.

Wer steckt dahinter?

Da bei Facebook nicht zu erkennen ist, wer die Initiatoren und Initiatorinnen einer Seite sind, lässt sich weder be- noch wiederlegen, ob die Initiatoren von „Keine Gnade für Kinderschänder“ organisatorisch etwas mit der NPD zu tun haben oder nicht. Das ist aber eigentlich auch nicht wichtig. Wichtig ist, dass die Seite das Thema Kindesmissbrauch verwendet, um NPD-Positionen, rechtsextremes Gedankengut, Rassismus und Hetze gegen Demokratie und Rechtsstaat zu verbreiten. Dass die NPD das gut findet, wird schnell bestätigt: Sowohl Holger Apfel als auch Frank Franz bewerben die Seite positiv, sie „gefällt ihnen“.

Interessant ist aber: Wenn neue Veranstaltungen oder neue Gruppen gegründet werden, gibt es Informationen über diejenigen, die sie angelegt haben. Und das passiert in der Gruppe „Keine Gnade für Kinderschänder“ permanent – bieten doch solche „Satellitenaktionen“ die Möglichkeit, die rechtsextreme Propaganda der Grundgruppe wieder ein bisschen zu verschleiern und somit noch mehr Nichtsahnende zu erreichend.

Die Agitation geht weiter

Gehört auch zur Nazi-Propaganda: „Flashmobs gegen Kindesmissbrauch“

So gibt es etwa die Veranstaltung „Flashmobs gegen Kindesmissbrauch“. Hier haben 115 Menschen ihre Teilnahme zugesagt, rund 1.000 Antworten stehen noch aus. Diese Veranstaltung hat „Rene Der Zweite Elsner“ erstellt. Der interessiert sich, so weist es sein Facebook-Profil aus, auch für die Gruppen „Islamisierung? Nein Danke“, „Es ist bereits Fünf vor Zwölf!!! Hört endlich auf mit dem Multikultiwahn“ oder „Heimat ist auch Frauensache“. Am Profilbild hat er virtuelle Buttons befestigt, die für rechtsextreme Gruppierungen oder Bewegungen stehen. Es gibt auch noch das offenbar erste Profil von Rene Elsner, mit demselben Profilfoto, aber noch offener rechtsextrem. Hier nennt er sich „frei sozial heimattreu national“ und postet NPD-Kampagnen auf der Pinnwand.

Die geschlossen Gruppe „Planung von Demos/Flash Mobs gegen Kindesmissbrauch“ hat er auch gleich mitgegründet, da sind 810 Leute Mitglieder. Zu den Mitbegründern gehört auch René Despang. Der war unter anderem „Außendienstmitarbeiter“ der NPD-Fraktion im Sächsischen Landtag und ist derzeit NPD-Ortsbeirat von Dresden-Prohlis (Eigenangabe).

Und er ist im Internet hyperaktiv: Eine weitere Gruppe namens „Wir organisieren eine bundesweite Großdemonstration gegen Kindesmissbrauch!“ hat bereits 1339 Mitglieder. Auch diese haben Elsner und Despang begründet.

Und auch diese Gruppe haben Nazis gegründet.

Was tun?

Helfen kann nur Information für diejenigen, die sich unsicher sind, wo sie bei der Gruppe „Keine Gnade für Kinderschänder“ hineingeraten sind. Zahlreiche engagierte Userinnen und User sind so bereits in der Gruppe unterwegs und versuchen, aufzuklären – auch über Facebook-Gruppen wie „Keine Gnade für Kinderschänder – die Hintergründe„, „Löschen der Seite: Keine Gnade für Kinderschänder (NAZIS!!)“ oder „Wer die Seite „Gegen Kindesmissbrauch“ klickt, unterstützt die NPD„.

Ob man aber trotz NPD-Nähe und rassistischer Postings in der Gruppe bleibt, muss jede und jeder selbst entscheiden – verboten ist nichts, was in der Gruppe steht, darauf achten die Administratoren peinlich genau und posten dies auch immer wieder an die Mitglieder: „Auch wenn es euch manchmal schwer fallen mag, bitte gebt Facebook keinen Grund, unsere Seite zu löschen, indem ihr hier Foltermethoden beschreibt o.ä…“ So bleibt nur zu hoffen, dass vielleicht wenigstens die 240.000-Menschen-„Veranstaltung“ gelöscht wird – wird Facebook in Deutschland doch gerade wegen virtuell organisierter Großereignisse stark kritisiert.

Mehr auf netz-gegen-nazis.de:

| Warum engagieren sich Neonazis gegen „Kinderschänder“?

| Minarette abschießen nun „auf deutsch“ (zum Blog „Deutschlandecho“

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