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Deutschland 2014 Theoretisch tolerant – aber bitte nicht hier

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Madlen Preuß und Andreas Zick vom IKG Bielefeld mit Winfried Kneip von der Stiftung Mercator (v.l.) (Quelle: ngn / sr)

Die Ergebnisse der Studie „ZuGleich“, die Professor Andreas Zick und Madlen Preuß am 10. September in Berlin auf einer Pressekonferenz vorstellten, sind durchzogen von einer großen Ambivalenz. Theoretisch sehen sich sehr viele Menschen in Deutschland als furchtbar tolerant an – an der praktischen Umsetzung hapert es dann. Zick und Preuß haben in einer repräsentativen Telefonstudie im Auftrag der Stiftung Mercator 2006 Teilnehmer*innen zu ihren Einstellungen zu Integration, Zugehörigkeit, Teilhabe und Gleichwertigkeit in Deutschland befragt. Wollen wir Zuwanderer*innen willkommen heißen? Integrieren? Und was heißt das? Wie soll eine Integrationsgesellschaft aussehen? Wer darf am gesellschaftlichen Leben teilhaben, und zu welchen Bedingungen?

Die Krux, so stellt sich schnell heraus, liegt dort, wo Menschen zwar theoretisch Veränderung bejahen, sie praktisch aber nicht akzeptieren wollen.

Vielfalt ist positiv, sagen fast 50 Prozent der befragten Personen (aber 25 Prozent finden das nicht).55 Prozent finden: Migranten sollten sich in Deutschland zu Hause fühlen. Aber: Nur 36 Prozent finden es gut, wenn sich Migrant*innen Deutschland als neue Heimat aussuchen. Heißt: Die, die da sind, sollen sich halt wohlfühlen. Aber nicht mehr werden!Sollen Migrant*innen an der deutschen Gesellschaft teilhaben? Ja, sagen 70 Prozent. 59 Prozent finden auch richtig, wenn die Migrant*innen dabei ihre eigene kulturelle Identität behalten.

Schwieriger wird es, wenn die Fragen konkreter werden: Wie soll das Zusammenleben funktionieren?

52 Prozent der Befragten sagen: Die Migrant*innen sollen sich anpassen! Übrigens fordern dies auch Deutsche mit Migrationshintergrund und spiegeln so, was sie selbst als Kriterium fürs Anerkannt-Werden erlebt haben. Dies zeigt deutliche eine Asymmetrie: Zusammenleben wird nicht als Prozess verstanden, an dem alle Parteien teilhaben – vielmehr werden Anpassungsbemühungen einseitig von den Migrant*innen verlangt.85 Prozent der Befragten finden, Einheimische und Zugewanderte sollen die gleichen Rechte haben. Das klingt fair, demokratisch und menschenrechtsorientiert. Allerdings waren Mehrfachangaben möglich. Und so finden auch 32 Prozent, Zugewanderte sollten sich mit weniger zufrieden geben, 20 Prozent meinen, sie sollten gar keine Ansprüche stellen und immer noch 17 Prozent finden, sie sollten gegenüber den Etablierten zurückstecken. Praktisch finden also fast 40 Prozent der Befragten, die zugestandene Gleichheit soll also bitte nicht eingefordert werden!

Ein interessanter Aspekt ist auch die Frage, wie etablierte Einheimische auf Veränderungen in der Gesellschaft reagieren.

61 Prozent finden, dass „deutsche“ Traditionen wiederbelebt werden müssten.60 Prozent wollen „deutsche“ Identität, Werte und Eigenschaften im Mittelpunkt der Gesellschaft sehen.33 Prozent fordern ein selbstbewussteres Auftreten als Deutsche, gerade gegenüber Migrant*innen.Und 28 Prozent sehen die Gefahr, von Migrant*innen überrannt zu werden.

Dies ist die Klaviatur, auf der rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien zu spielen versuchen, wobei sie ja auch leider nicht unerfolgreich sind.

Kritisch wird es, wenn es um die Frage geht, wer sich als zur deutschen Gesellschaft zugehörig fühlen darf.

Wichtige (und vernünftig mögliche) Kritierien hierfür sind für alle Befragten die Kenntnis der deutschen Sprache, die Achtung politischer Institutionen und Gesetze, ob man sich in Deutschland zu Hause fühlt, ob man in Deutschland erwerbstätig ist oder ob man „deutsche“ Werte und Traditionen anerkennt. Allerdings fordern nicht wenige der Befragten, nötig für die Zugehörigkeit zu deutschen Gesellschaft sei es, in Deutschland geboren zu sein, die deutsche Staatsangehörigkeit zu besitzen oder eine christliche Konfession – Kriterien, die für Zuwanderer problematisch und teilweise unerfüllbar sind.

Eine besonders große Kluft zwischen Selbstwahrnehmung und Handeln in der Realität tut sich laut der Studie beim Thema Toleranz gegenüber Anderen / Minderheiten auf.

Rund 70 Prozent der Befragten geben an, tolerant, unvoreingenommen und offen gegenüber allen anderen Menschen zu sein.Gleichzeitig lehnen 26 Prozent pauschal Flüchtlinge ab, 29 Prozent Arbeitslose, 18 Prozent Sinti und Roma und je 12 Prozent „Fremde“ und Obdachlose (Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit).

Hinter all den Lippenbekenntnissen zu Toleranz, Vielfalt und Gleichwertigkeit, so stellen Zick und Preuß abschließend fest, herrscht in den Köpfen vieler Menschen in Deutschland immer noch die Idee einer homogenen kulturellen Gesellschaft, aus der eine Hierarchie abgeleitet wird, wer sich wann und wie einbringen oder Forderungen stellen darf. Hier sehen die Forscher*innen ein großes Konfliktpotenzial, das einem friedlichen, gleichwertigen Zusammenleben in einer Einwanderungsgemeinschaft, die miteinander lebt und sich gemeinsam entwicklet, problematisch im Wege steht.

 

Die Studie im Internet:

www.uni-bielefeld.de/ikg

 

 

 

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