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„Multiculturalism is here to stay“ Alternativen und Perspektiven für die multikulturelle Gesellschaft

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Flyer der Veranstaltung "Multicultural Politics" und neues Buch der Bertelsmann Stiftung und des Transatlantic Council on Migration "Rethinking National Identity in the Age of Migration" (Quelle: Alina Valjent)

Vor einiger Zeit luden die Heinrich Böll Stiftung, Bertelsmann Stiftung und das Transatlantic Council on Migration zur Veranstaltung „Multicultural Politics – Success, Failure, and the Future“ in die Kanadische Botschaft ein. Im Mittelpunkt standen Erfolge, Misserfolge und Zukunftsperspektiven von Multikulturalismus in der Politik.

Das kanadische Modell – Vorbild für Deutschland?

Kanada war das erste Land, das Multikulturalismus als in seiner Verfassung festgeschrieben hat. Mittlerweile halten 86% der Kanadier den Faktor Immigration für einen wichtigen Bestandteil der kanadischen Identität. Kanada könnte somit als Vorbild für Deutschland dienen. Doch bei uns gibt es bei weitem keinen so großen Konsens beim Thema „Multikulturalismus“. Was also können wir von Kanada lernen?

Auch in Kanada herrschte nicht immer diese offene Einstellung gegenüber multikultureller Politik. Die politische Auseinandersetzung mit der multiethnischen Gesellschaft und den wirtschaftlichen Vorteilen von Einwanderung führte jedoch bereits Anfang der 1970er Jahre zum offiziellen Bekenntnis zum Multikulturalismus.

Einwanderung statt Zuwanderung

Im Vergleich mit Deutschland fällt laut Seyran Ate? – Frauenrechtlerin, Anwältin und Autorin des Buches „Der Multikulti-Irrtum – Wie wir in Deutschland besser zusammenleben können“ – ein Unterschied besonders ins Auge: In der kanadischen Mehrheitsgesellschaft sei der Wille zur Einwanderung vorhanden, die deutsche Mehrheitsgesellschaft sträube sich immer noch dagegen. Dieses Phänomen ist auch sprachlich zu beobachten. Wer von Zuwanderung statt von Einwanderung spricht, schließt damit rein begrifflich Integration aus – die Zuwanderer kommen eben bloß dazu, aber nicht in die Gesellschaft rein.Das Konzept der Bundesregierung war lange Zeit auf nicht-permanente Zuwanderung ausgerichtet. Man ging davon aus, dass die Zuwanderer wieder gehen würden und versäumte, Möglichkeiten zur permanenten Einwanderung zu schaffen. Diese zeitlich begrenzte Migration führte zum Aufbau von Parallelgesellschaften und eben auch dazu, dass „Multikulti“ hierzulande so verpönt ist. Können wir also schon von Post-Multikulturalismus sprechen? Und was für Alternativen gibt es neben dem Konzept des Multikulturalismus?

Multikulturalismus als Menschenrechtsrevolution

Tariq Modood, Gründungsdirektor des Forschungszentrums für ethnische Zugehörigkeit und Staatsbürgerschaft, erklärte Multikulturalismus als einen von vier Modi von Integration. Assimilation, individuelle Integration und Kosmopolitismus stehen somit dem Multikulturalismus gegenüber. All diese Formen sind bereits eingesetzt worden, jedoch respektiert nur der Multikulturalismus die Freiheit der Menschen, ihre Identität selbst zu bestimmen.

Um Multikulturalismus in der Gesellschaft zu verankern, bedarf es jedoch laut Will Kymlicka, Sozialwissenschaftler im Bereich Diversität und Demokratie in multikulturellen Gesellschaften, einer Revolution der Bürgergesellschaft, die einer Menschenrechtsrevolution gleichkäme. Basierend auf den Werten der Französischen Revolution – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – gelte es, Trennung und Unterschiede der Individuen zu überwinden um neue Beziehungen aufzubauen, die inklusiv, pluralistisch, zukunftsorientiert seien müssten. Alte Hierarchien, die auf Macht, Unterdrückung, Stigmatisierung und Ungleichheit basieren, müssten aufgebrochen werden, um eine demokratische Bürgergesellschaft aufzubauen.

Die Transkulturelle Gesellschaft als Alternative zum Multikulturalismus

Seyran Ate? kritisierte das Konzept des Multikulturalismus, der ihrer Meinung nach nicht zu sozialem Frieden führen könne. Auch sie forderte ein Umdenken. Die Zukunft der multikulturellen Gesellschaft sieht sie in der Transkulturalität und der Einrichtung eines Immigrationsministeriums. Damit könne Deutschland sich – ähnlich wie Kanada – öffentlich positionieren und den Willen zur Integration institutionell manifestieren. Das System der transkulturellen Identitäten basiert auf dem Modell von Wolfgang Welsch und fordert vom Individuum das (An-)erkennen „fremder“ Elemente in der eigenen Identität. Das traditionelle System der nationalen Identitäten, die parallel existieren, soll somit ersetzt werden durch ein Geflecht aus verschiedenen Identitäts-Puzzleteilen, die als ganzes die transkulturelle Identität eines Individuums, beziehungsweise einer Gesellschaft ausmachen. Liegt in diesem Puzzle die Zukunft unserer vielfältigen Gesellschaft?

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